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0916 - Der Quellmeister und die Bestie

Titel: 0916 - Der Quellmeister und die Bestie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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höhere Beweglichkeit als er.
    „Es scheint mein Schicksal zu sein", sagte er ergeben, „euch von neuem in die Hände zu fallen."
    Einer der Vermummten antwortete: „Ein gutes Schicksal ist das! Wir haben zu wenig Opfer für die nächste Feier. Vielleicht ist die Gottheit uns gnädig, wenn wir ihr ein Geschöpf darbieten, wie es in dieser Welt noch nie gesehen wurde."
     
    6.
     
    Die junge Frau regte sich zunächst nicht.
    „Hajlik, erkennst du mich nicht?" fragte Tantha. „Ich bin der Humpelnde!"
    „Es ist dunkel", antwortete Hajlik mit dumpfer Stimme. „Ich kann dich nicht sehen."
    Der humpelnde Tantha kannte Hajlik nicht besser als Tausende von anderen Frauen und Männern, denen er auf seinen langen Wanderungen begegnet war. Aber er erinnerte sich, daß sie ein lebensfrohes Geschöpf gewesen war. Die Teilnahmslosigkeit, die in ihrer Stimme zum Ausdruck kam, paßte nicht zu ihr.
    „Hajlik, was ist geschehen?" drang er in sie. „Was hast du in der Schleierkuhle verloren? Und warum gibst du vor, mich nicht zu erkennen?"
    „Der Geist ...!" stieß die junge Frau hervor.
    „Ich weiß, du bist dem Geist der Vergangenheit begegnet", sprach Tantha mit beruhigender Stimme auf sie ein. „Aber er hat dir nichts anhaben können, weil mein Freund, der Fremde, ihn verjagt hat. Was ist aus dem Tollen Vollei geworden?"
    Hajlik wollte zunächst keine Auskunft geben. Der humpelnde Tantha erkannte, daß sie unter der Nachwirkung eines heftigen Schocks litt. Er fuhr fort, auf sie einzureden. Er versicherte ihr, daß die Gefahr vorüber sei und kein Geist ihr jemals etwas werde anhaben können. Er sprach lange und mit ruhiger Stimme, die von nahezu hypnotischer Wirkung war. Und Hajlik wachte allmählich auf.
    Stockend zunächst, dann immer flüssiger berichtete sie, was mit ihr und dem Tollen Vollei geschehen war, nachdem sie die Begegnung mit dem Geist der Vergangenheit gehabt hatten. An manches erinnerte sie sich nicht mehr. Es war unter den vom Schock ausgelösten Wahneindrücken verschüttet. Aber für den humpelnden Tantha wurde das Bild dennoch klar. Hajlik und der Tolle Vollei hatten sich aufgemacht, um den vermeintlichen Gastwirt wieder einzufangen -ganz wie er befürchtet hatte. Den Tollen Vollei hatte die Begegnung mit dem Geist der Vergangenheit offenbar nur vorübergehend beeindruckt. Er war zunächst geflohen, bald darauf jedoch umgekehrt, um die Verfolgung von neuem aufzunehmen. Hajlik war von den Kukelstuuhr-Priestern gefangen .genommen worden, während Vollei sich nicht bei ihr befand. Ihr Schicksal war ohne Zweifel, dem Götzen bei der nächsten Feier als Opfer vorgeworfen zu werden.
    Die Dinge wurden allmählich kompliziert, nahm der Humpelnde resignierend zur Kenntnis. Von jetzt an hatte er sich nicht nur um Pankha-Skrin, sondern auch um Hajlik zu kümmern. Und wie lange würde es noch dauern, bis die Götzendiener auch den Tollen Vollei einfingen? Zwar hegte Tantha für den jungen Taugenichts aus der Gewerkschaft der Freidenker keineswegs ein Gefühl der Freundschaft. Aber er würde nicht zulassen, daß man ihn wehrlos einem Götzen zum Fraß vorwarf.
    „Ruh dich aus, Hajlik!" sagte er zu der jungen Frau. „Du wirst alle Kraft brauchen. Fürs erste bin ich bei dir, und ich versichere dir, es wird dir nichts geschehen, solange ich in deiner Nähe bin."
    Das viele Reden hatte Hajlik erschöpft. Der humpelnde Tantha hatte kaum zu Ende gesprochen, da schlief sie ein. Aus diesem Schlaf, dessen war Tantha sicher, würde sie körperlich und seelisch gekräftigt erwachen. Und ihm selbst taten eine oder zwei Stunden der Ruhe sicherlich ebenfalls gut.
    Er suchte sich auf dem engen Raum ein Plätzchen, auf dem er sich halbwegs ausstrecken konnte. Kaum jedoch hatte er es sich bequem gemacht, da hörte er draußen im Gang lautes Rufen und die Geräusche hastiger Schritte.
    „Hier hat man auch keine zehn Minuten lang seine Ruhe!" knurrte er ärgerlich und schickte sich vorsichtig an, die Tür zu öffnen.
     
    *
     
    Der Gang war voller Priesteranwärter, die nach rechts liefen - also zu der Halle hin, in der die Kukelstuuhr-Priester um das qualmende Feuer gesessen hatten. Der humpelnde Tantha schloß sich den Eilenden an, und keiner von ihnen bemerkte in der allgemeinen Aufregung, daß er aus einer der Gefangenenzellen kam.
    In der Halle hatte sich inzwischen ein großer Auflauf gebildet. Priester und Priesteranwärter rannten wirr durcheinander. Das Zentrum der Aufmerksamkeit waren vier mit Knütteln bewaffnete,

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