0916 - Der Quellmeister und die Bestie
vermummte Gestalten, die, wie der humpelnde Tantha bald erfuhr, wichtige Beute gemacht hatten. Dem Humpelnden schwante Unheil, und als er sich bis dorthin vorgedrängt hatte, wo die vier Bewaffneten ihren Gefangenen zeigten, da sah er seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Die Götzendiener hatten den Loower gefangengenommen. Aus Wortfetzen, die durch die Luft flogen, reimte Tantha sich die unglückselige Geschichte zusammen. Früchtesammler waren mißtrauisch geworden, als sie in der Plantage Pflanzen abzuernten begannen und feststellten, daß ihnen jemand zuvorgekommen war. Sie hatten über ihre Beobachtung einem der Priester berichtet, deren Aufgabe es war, Opfer für die nächste Opferfeier zu jagen. In Anbetracht der kritischen Opferlage war der Benachrichtigte dem Hinweis sofort nachgegangen und hatte in der Pflanzung in der Tat die Spuren eines fremden Eindringlings und schließlich auch diesen selbst gefunden.
Die Freude unter den Kukelstuuhr-Priestern war groß. Denn bei dem Gefangenen handelte es sich um einen Fremden, der gänzlich anders geartet war als die Opfer, die man sonst dem Götzen darbrachte. Man trug sich mit der Hoffnung, daß angesichts der Fremdheit des Opfers Kukelstuuhr gnädig darüber hinwegsehen würde, daß ihm diesmal nicht die angemessene Zahl Gefangener dargereicht wurde.
Der humpelnde Tantha versuchte, in die Nähe des Loowers zu kommen. Er gab das Bemühen jedoch bald auf, weil sich um den Gefangenen eine neugierige Menge gebildet hatte, die keinem weichen wollte. Er beobachtete jedoch aufmerksam, wohin man Pankha-Skrin schließlich brachte. Er wurde in eine der Zellen gesteckt, die sich längs des rechten Ganges befanden, nicht mehr als fünf Türen von dem Gelaß entfernt, in dem Hajlik stak. Tantha nahm sich vor, den Quellmeister bei nächster Gelegenheit aufzusuchen und ihn wissen zu lassen, daß Hilfe in der Nähe war.
Er blieb als einer der letzten in der großen Halle. Er wollte nicht gesehen werden, wie er zu Hajlik in die Zelle schlüpfte. Dieses Vorhaben gelang ihm ohne große Mühe. Die Aufregung unter den Priestern und Priesteranwärtern war so groß, daß niemand auf den einzelnen achtete, der sich schließlich davonstahl, als die Halle sich fast schon geleert hatte.
*
Nachdem der humpelnde Tantha sich vergewissert hatte, daß Hajlik noch immer fest und ruhig schlief, machte er sich auf den Weg und suchte einen anderen Priesteranwärter auf. Diesem redete er ein, daß er die Orientierung und halbwegs den Verstand verloren habe, weil er an dem Feuer gesessen hatte, von dessen Rauch die Priester ihre Eingebungen erhielten. Er hatte das Glück, auf einen vertrauensseligen jungen Zaphooren zu stoßen, der von der Vorstellung begeistert war, daß ein anderer bereits gewagt hatte, wovon er bislang nur träumte.
„Sie sagen, der Rauch sei mächtig und mit Weisheit erfüllend", stieß er aufgeregt hervor. „Aber sie sagen auch, daß ein junger Priester sich erst langsam an den Genuß des Rauches gewöhnen muß. Ist das alles wahr?"
„Nur zu wahr, wie du an mir siehst", ächzte der humpelnde Tantha und tat so, als könne er sich kaum noch auf den Beinen halten.
Die Zelle, in der der Priesteranwärter hauste, war kaum weniger primitiv ausgestattet als die Kammer, in der Hajlik untergebracht war. Es gab eine grob geartete Liege und einen Stuhl, der an einer Seite mit einem Brett ausgestattet war, das man als Tischplatte benutzen konnte. Diesen Stuhl schob der wißbegierige junge Zaphoore dem Humpelnden diensteifrig entgegen.
„Ich sehe, daß es dich mitgenommen hat", erklärte er dabei. „Hier, setz dich und ruh dich .aus. Wenn du Kraft genug hast zu sprechen, dann erzähle mir, wie es dir am Feuer ergangen ist!"
Der humpelnde Tantha berichtete - stockend, wie es seinem angeblich miserablen Gesundheitszustand entsprach. Er verheimlichte auch nicht, daß Verdantor ihn bei seinem Unternehmen erwischt, aber nicht etwa getadelt, sondern gelobt habe.
„Jetzt weiß ich auch, warum", stöhnte Tantha. „Er braucht mich nicht zu tadeln. Ich fühle mich so elend, daß ich die Sache gewiß nicht mehr ein zweites Mal versuchen werde."
„Sag mir, woran es dir fehlt", bat der Jüngere.
„Ich habe ... Hunger", ächzte der Humpelnde. „Und ich habe vergessen, wo es hier etwas zu essen gibt."
„Du hast vergessen, daß uns das Essen in die Zellen gebracht wird?" erkundigte sich sein Gastgeber verwundert. „Du brauchst nur in deiner Wohnung zu warten. Es ist
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