0916 - Feuerengel
Lisa. Darf ich Sie fragen, woran Sie gestorben ist? An welcher Krankheit?«
»Sie starb wegen ihrer schwerer Verbrennungen. Betty Connaro ist in ein Feuer geraten, aus dem sie zwar hervorgeholt wurde, aber es war für sie leider zu spät. Auch wir konnten nicht mehr helfen, die Verbrennungen waren einfach zu schlimm.« Mit einer Fingerspitze tippte Lisa gegen ihre runde Nasenkuppe. »Eines war allerdings seltsam. Darüber haben wir uns alle gewundert.«
»Was denn?«
Sie hob die Schultern. »Nun ja, es ging da um ihr…« Sie lachte. »Es hört sich schon fast pervers an, wenn ich das sage. Aber es ging tatsächlich um ihr Hinterteil.«
»Was war damit?«
Lisa hob die Schultern. »Bitte, lachen Sie nicht, doch was ich Ihnen sage, das stimmt. Sie war dort tätowiert, und genau diese Tätowierungen zogen sich hin bis zu den Oberschenkeln.«
»Daran erinnern Sie sich genau?«
»Sicher.«
»Auch an Einzelheiten, was diese Bilder, angeht. Ich meine, es gibt ja die unterschiedlichsten Motive von Tätowierungen. Da hat man…«
»Vergessen Sie das, Mr. Sinclair. Ich kann mich auch nicht so an Einzelheiten erinnern, ich könnte sie Ihnen in ihrer Gesamtheit erklären, wenn Ihnen das hilft.«
»Bitte.«
»Mir kamen sie sehr fremd vor. Drachen, Schlangen und ähnliche Fabeltiere, allerdings nicht groß, sondern klein.« Sie zeichnete mit den Händen nach, was sie meinte. Die Motive mußten eben auf den Po und auf einen Teil der Oberschenkel passen. »So und nicht anders ist es gewesen.«
»Das ist in der Tat seltsam«, murmelte ich. »Haben auch Kolleginnen diese Tattoos gesehen?«
»Sicher.«
»Dann brauche ich sie wohl nicht zu befragen?«
»Nein, Mr. Sinclair, das brauchen Sie beim besten Willen nicht. Betty Connaro ist an ihren schweren Verletzungen gestorben, das ist und bleibt eine Tatsache.«
»Und wurde begraben.«
»Natürlich.«
»Kennen Sie auch den Ort?«
»Nein, aber das läßt sich ja feststellen.« Sie schaute mich skeptisch und auch ein wenig ängstlich an.
»Bleiben Sie denn noch immer bei der Behauptung, Betty Connaro gesehen zu haben, Mr. Sinclair?«
»Ja, dabei bleibe ich.«
»Wären Sie mir sehr böse, wenn ich Ihnen sage, daß dies überhaupt nicht möglich ist?«
»Überhaupt nicht böse. Ich kann Sie sogar verstehen. Das ist völlig normal.«
»Meine ich auch.«
»Trotzdem werde ich mich um den Fall kümmern.«
»Was?« flüsterte die Schwester. »Um eine Tote?«
»Das ist mein Job.«
»Wollen Sie vielleicht das Grab öffnen lassen und nachschauen, ob sie wirklich tot ist?«
»Wenn es sein muß, auch das. Zunächst einmal frage ich mich, weshalb sie hier wieder aufgetaucht ist und so schnell verschwand wie ein Gespenst.«
Ich hörte die Frau scharf atmen. »Mr. Sinclair, Sie machen mir angst, wenn Sie so reden.«
»Pardon, das wollte ich nicht. Es ist auch nicht Ihr Problem, sondern das meinige. Eine Frage hätte ich trotzdem noch.« Ich beugte mich seitlich über den Tisch. »Wissen Sie mehr über die Verstorbene? Ist Ihnen bekannt, wo sie herkam, was sie gemacht hat, beruflich, meine ich?«
»Nein, das weiß ich nicht.«
»Wer könnte es wissen?«
»Wir werden natürlich noch Unterlagen haben. Sie als Polizist können da Einsicht nehmen. Es gibt den guten Geist des Hauses. Das ist Schwester Claire. Sie arbeitet…«
»Ich kenne sie bereits.«
»Wenn Ihnen jemand Auskünfte geben kann, dann sie, denn Claire archiviert die Unterlagen.«
Ich stand auf. »Herzlichen Dank, Lisa, Sie haben mir wirklich sehr geholfen.«
Aus ihrer Sitzposition schaute sie zu mir hoch, und in ihrem Gesicht malte sich Furcht ab. »Mr. Sinclair«, flüsterte sie. »Darf ich Ihnen eine Frage stellen?«
»Jederzeit.«
»Glauben Sie an Geister?«
»Sie denn?«
»Keine Ahnung«, murmelte die Schwester, wobei sie den Kopf senkte, die Schultern aber anhob.
»Wenn ich ehrlich sein soll, haben Sie mich richtig unsicher gemacht.«
»Dann will ich Ihnen gegenüber auch ehrlich bleiben. Ich glaube nicht nur an Geister, ich weiß, daß es Wesen zwischen Himmel und Erde gibt. Auch wenn sie schwer zu beschreiben sind, sie existieren.«
»Komisch, Mr. Sinclair. Wie Sie das sagen, kann man es direkt glauben.«
Ich lächelte ihr zu. »Zerbrechen Sie sich darüber nicht den Kopf, Lisa. Die Patienten sind für Sie wichtiger.«
»Das denke ich auch.«
Ich ging zur Tür. »Falls Ihnen noch etwas einfällt, Sie werden mich bei Schwester Claire erreichen.«
»Gut.«
»Um eines möchte ich Sie auch noch
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