0916 - Feuerengel
der Mann?«
»Ich weiß es nicht?«
»Wer lieferte ihn ein?«
»Fragen Sie Ihre Ärztin.«
»Danke, das weiß ich selbst.« Er mochte mich nicht, und das beruhte wohl auf Gegenseitigkeit.
Ich ließ ihn stehen und ging wieder zurück. Die Menschen standen noch immer herum und warteten auf eine Erklärung, die ich Ihnen gab. »Professor Gladstone wird sich der Sache annehmen«, erklärte ich.
Ich hörte keinen Kommentar. Von den Gesichtern der Angestellten las ich aber ab, daß sie darüber nicht begeistert waren. Der Professor schien als Chef nicht eben beliebt zu sein.
Schwester Claire hatte ich unter den Wartenden nicht gesehen, und das war gut so. Ich mußte gerade mit ihr reden, und ich wußte auch, wo ich sie finden konnte. Sicherlich hielt sie sich in ihrem Büro auf.
Dort fand ich sie auch. Die Tür war geschlossen, aber ich trat einfach ein. Claire war überrascht worden. Sie schaffte es nicht, das mit Whisky gefüllte Glas so schnell verschwinden zu lassen und lächelte nur verlegen, als ich die Tür schloß. Zum Glück waren wir allein.
»Ich weiß jetzt, wer Sie sind, Mr. Sinclair.«
»Das ist gut. Darf ich mich setzen?«
»Bitte.«
Sie schaute mir zu und ließ mich nicht aus der Kontrolle. Claire gehörte nicht zu den dünnen Menschen. Sie war vollschlank, auf ihrem Kopf wuchs das Haar kraus, und sie trug eine Brille mit weißem Gestell, das sich überdeutlich von ihrer dunklen Haut abhob. »Es hat doch sicherlich einen Grund, daß ausgerechnet ich Ihr Opfer bin.«
Ich schüttelte den Kopf. »Opfer dürfen Sie das nicht nennen, aber es geht mir schon darum, mit Ihnen, Claire, zu reden.«
»Weshalb?«
»Weil ich gehört habe - ach, geben Sie mir auch einen Schluck, den kann ich jetzt vertragen.«
»Ich hole ein Glas.«
»Lassen Sie das, ich trinke aus der Flasche.«
»Wie Sie wollen.«
Ich bekam die Flasche in die Hand gedrückt und ließ etwa die Menge eines Doppelten in meine Kehle gluckern. Das brauchte ich jetzt, auch um den Rauchgeschmack aus meinem Mund zu bekommen, der sich dort wie Leim festgesetzt hatte.
Als ich die Flasche wegstellte, wollte Claire noch einmal wissen, wie ich ausgerechnet auf sie gekommen war.
»Die Mitarbeiter haben mir berichtet, daß Sie jemand sind, der hier alles kennt, was die Belange der Verwaltung angeht.«
»Man übertreibt leicht.«
Sie wurde verlegen und ich lächelte. »Nein, nein, das glaube ich nicht. Es geht mir um einige Fragen, die eine Patientin von Ihnen betreffen.«
»Wie heißt sie?«
»Vorweg gesagt, sie war einmal Patientin hier. Aber sie ist verstorben.«
»Bei uns?«
»Ja.«
»Wann?«
»Das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Aber vielleicht erinnern Sie sich an den Namen. Sie hieß Betty Connaro.«
Claire schaute mich an, und ich sah, wie sich ihre Nasenflügel bewegten. »Betty Connaro, sagen Sie? Natürlich erinnere ich mich an Sie. Es war schlimm. Sie war eine exotische Schönheit, die in ein Feuer geraten war und so schwere Verbrennungen erlitten hatte, daß unsere Ärzte hier nichts mehr tun konnten. Sie starb leider. Es hat uns allen, die wir sie kannten, sehr leid getan. Sie war nicht zu retten.«
»Ja, das ist leider wahr.«
»Ich müßte nachschauen, wann sie genau starb. Es ist schon eine Weile her, Wochen oder Monate, so genau weiß ich es nicht. Aber wir führen ja eine Kartei. Und mit dem Computer ist das kein Problem.«
»Mich interessiert das Datum nicht, sondern nur die Person. Wissen Sie mehr über sie?«
»Kommt darauf an. Ich müßte mir schon ihre Karte ausdrucken lassen, aber darauf stehen nicht die familiären Verhältnisse. Die Informationen beziehen sich einzig und allein auf die Krankheit oder die Verletzungen.«
»Sie verbrannte.«
»So ist es.«
Ich war nachdenklich geworden und fragte: »Wo oder wie geschah dies? Sind Sie darüber informiert?«
»Nicht genau. Es war wohl ein Unfall.«
»Mit dem Auto?«
»Nein, das nicht. Das weiß ich genau. Ich denke, daß es in ihrer Wohnung passiert ist. Wie mir bekannt ist, rannte sie schreiend auf die Straße, wo die Flammen dann gelöscht wurden. Ob sie aber so verbrannte wie der Mann in der Notaufnahme, das ist mir unbekannt. Darüber kann ich Ihnen keine Auskunft geben.«
»Das ist im Moment nicht wichtig. Sie aber haben den Eindruck gehabt, daß bei ihr alles mit rechten Dingen zugegangen ist?«
Claire war etwas irritiert. Sie brauchte Zeit für eine Gegenfrage, nahm die Brille ab, faltete die Bügel zusammen und legte das Sehinstrument neben
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