0916 - Feuerengel
bequem schauen konnte. Die Einrichtung dahinter sah aus wie ein Büro.
Ich ging durch die Tür und klopfte an die nächstbeste Tür. Von draußen hatte ich gesehen, daß jemand arbeitete. Eine Frau in weißer, hochgeschlossener Bluse und mit streng zurückgekämmten Haaren. Sie legte soeben den Hörer eines Telefons auf, als ich eintrat und drehte sich auf dem Stuhl.
»Ja, Sie wünschen?«
»Ich hätte eine Frage«, sagte ich nach dem kurzen Gruß. »Es geht um ein bestimmtes Grab.«
Die Frau zog die Augenbrauen hoch. »Es tut mir leid, aber ich bin nicht befugt, Ihnen irgendwelche Auskünfte zu geben. Auch die Toten unterliegen einem gewissen Personenschutz, wenn Sie verstehen.« Sie hob einen Arm. »Aber Sie können gern einen Antrag stellen.« Die Frau schielte auf ihre Uhr. »Zudem habe ich gleich Pause, Mister.«
»Die kann noch etwas warten.«
»Bestimmen Sie das?« fragte sie und machte auf einmal einen kratzbürstigen Eindruck.
Ich knallte ihr meinen Ausweis auf den Schreibtisch und wurde dienstlich. »Sie werden mir jetzt die Auskünfte geben, oder Sie kriegen Ärger mit der Polizei.«
»Pah, wenn das so ist.« Fast angewidert schaute sie sich den Ausweis an und schüttelte den Kopf.
»Ja, so ist es.«
»Um was geht es?«
»Um eine Frau, die hier bei Ihnen begraben liegt. Sie heißt Betty Connaro.«
»Ach ja. An die erinnere ich mich.«
Das wiederum wunderte mich, denn hier wurden ja ziemlich viele Menschen begraben. Da ist es nicht leicht, sich die Namen zu merken, aber Betty schien auch hier aufgefallen zu sein.
»Wieso erinnern Sie sich an diese Frau so genau?« wollte ich wissen.
»Das kann ich Ihnen sagen, Mr. Sinclair. Sie hat ein Armengrab bekommen. Das ist heute zwar häufiger als früher, aber üblich ist es nicht. Deshalb erinnere ich mich.«
»Okay, dann erklären Sie mir den Weg.«
Sie sprach jetzt schnell und leicht überhastet. Anscheinend wollte sie mich loswerden oder früh genug in die Pause kommen. Mir war es jedenfalls egal.
Ich bekam die Informationen, bedankte mich und wünschte ihr beim Hinausgehen noch einen guten Appetit.
Sie gab keine Antwort.
Ich machte mich auf den Weg und mußte zunächst dem Trauerzug folgen, was mir nicht paßte. Ich wollte ihn auch nicht mit schnellen Schritten überholen und schlug mich deshalb in die Büsche.
Dort huschte ich über Gräber hinweg, und erst als ich den Zug überholt hatte, nahm ich wieder den normalen Weg.
Die Armengräber waren dort angelegt worden, wo der Friedhof nicht eben gepflegt aussah. Viel Gestrüpp, das wild durcheinander wuchs und nicht beschnitten wurde, Steine auf dem Boden, sogar Abfall entdeckte ich, und dazwischen lagen die Gräber, die auch keine Kreuze trugen, sondern einfach nur daran zu erkennen waren, daß man Holzbretter mit eingravierten Namen in die Erde gerammt hatte.
Ich suchte den der Frau.
Betty Connaro…
Allmählich wurde sie für mich zu einem Problem oder zu einem Alptraum, wie auch immer.
Suchend streifte ich durch das Gebüsch und mußte des öfteren Zweige zur Seite biegen, um überhaupt etwas erkennen zu können. Die Gräber waren zwar zu sehen, sie lagen dicht nebeneinander, aber hohes Gras und noch höheres Unkraut schützten es vor den meisten Blicken der Suchenden.
Aber ich fand das Grab.
Es war noch relativ frisch, und die Buchstaben auf dem Holz zeigten keine Anzeichen von Verwitterung.
Betty Connaro stand darauf, mehr nicht. Vor dem Grab blieb ich stehen, spürte den leichten Wind, auch die Wärme der Sonne und hatte trotzdem den Eindruck, leicht zu frieren. Was stimmt mit dieser Grabstätte nicht, über die der Wind strich?
Ich hatte keine Ahnung, aber ich wußte, daß es ein Rätsel um diese Betty Connaro gab.
Etwas warnte mich.
Zuerst war es nur das komische Gefühl, dann hörte ich das Geräusch. Ein leises und irgendwie vorsichtiges Schaben, als wäre jemand dabei, Zweige zur Seite zu drücken.
Ich drehte mich um.
Tatsächlich bewegte sich das Gebüsch. An ein Tier glaubte ich nicht, und deshalb nahm ich an, daß mich ein Mensch unter Kontrolle gehalten hatte.
Die Bestätigung bekam ich, als ich plötzlich die hart klingende Frauenstimme hörte. »Gehörten Sie auch zu den Kunden dieser verdammten Nutte, Mister…?«
***
Ich tat zunächst einmal nichts, sondern blieb so stehen und ließ mir die Worte durch den Kopf gehen. Diese mir unbekannte Person hatte Betty Connaro als Nutte bezeichnet und damit wieder einen neuen Aspekt in diesen Fall gebracht.
Wieso
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