0916 - Feuerengel
sich auf den Tisch. »Ich habe Ihre Frage zwar gehört, aber nicht begriffen. Können Sie sich da präziser ausdrücken?«
»Ich denke an ihren Tod.«
»Sie hat es überstanden. Die Ärzte haben alles getan, was in ihren Kräften stand, wie man so schön sagt. Sie müssen mir das glauben. Aber was sollte nicht mit rechten Dingen zugegangen sein?«
Ich kam zunächst um eine Antwort herum, denn die Tür öffnete sich und Professor Gladstone schaute in das Büro. »Kann ich Sie mal sprechen, Schwester Claire.«
»Professor, ich…«
»Einen Moment noch«, mischte ich mich ein. »Ich bin noch nicht fertig, bitte.«
»Wieso? Was haben Sie…?«
»Auch wenn Sie in diesem Krankenhaus der Chef sind, Professor, aber das hier ist ein Verhör.«
»Ach ja?« Er ging nicht. »Um was geht es denn?«
Claire wollte schon antworten, aber ich kam ihr zuvor. »Bisher kann ich noch nichts Konkretes sagen. Sollten sich Ergebnisse einstellen, werden Sie informiert.«
Gladstone verstand den leichten Rausschmiß. Er zog sich zurück, aber mit wütenden Blicken.
»Puh«, sagte Claire und bewegte ihre rechte Hand auf und ab. »Dem haben Sie es aber gegeben.«
»Wieso?«
»Das ist er nicht gewohnt. Dieser Mann ist hier ein Halbgott in Weiß, wenn er Dienst hat.«
»Und wenn nicht?«
»Privat kenne ich ihn nicht, aber er hat sich damals auch um diese Betty Connaro gekümmert.«
»Danke für den Tip, aber ich möchte auf etwas anderes hinaus. Wissen Sie zufällig, wo Betty begraben wurde?«
»Nein.«
»Schade.«
»Ich habe mich nicht mehr um sie gekümmert, aber das läßt sich doch herausfinden.«
»Bestimmt. Eine Frage noch, die Betty Connaro angeht. Ist Ihnen oder den anderen, die mit ihr zu tun hatten, irgend etwas an ihr aufgefallen, Schwester? Denken Sie nach, jede Kleinigkeit oder Unstimmigkeit kann sehr wichtig sein.«
Sie runzelte die Stirn. »Nein, nicht, daß ich wüßte. Was sollte mir denn aufgefallen sein?«
»Das frage ich Sie ja.«
»Hm.« Claire überlegte. Sie gab sich Mühe, und dann nickte sie plötzlich. »Jetzt, wo Sie es erwähnen, fällt es mir wieder ein. Aber ich habe es nicht selbst gesehen, sondern nur von denen gehört, die sich um sie kümmerten.«
»Alles ist wichtig.«
Sie hob die Schultern und legte den Kopf schief. »Sie können mich auslachen oder auch nicht, Mr. Sinclair, aber meine Kolleginnen haben übereinstimmend ausgesagt, daß sie etwas überhaupt nicht begreifen konnten.«
Ich wurde neugierig. »Und das war?«
»Sie müssen wissen, daß Betty Connaro am gesamten Körper schwerste Verbrennungen aufwies. Es gab eigentlich keine Stelle, die von den Flammen nicht erfaßt worden war. Aber seltsamerweise war die Haut an ihrem Hinterteil und auch im Bereich der Oberschenkel nicht verbrannt. Dort gab es freie Stellen.«
»Kennen Sie den Grund?«
»Ja und nein. Ich habe mit den Kolleginnen darüber gesprochen und hörte, daß diese Stellen von Tätowierungen bedeckt waren.«
»Tattoos«, sagte ich.
»So nennt man sie wohl heute.«
»Sie haben also darüber geredet.«
»Das ist richtig.«
»Haben die Kolleginnen gesagt, welche Motive sich die Frau hat eintätowieren lassen?«
Claire schaute mich an, aber zugleich hindurch. Sie spielte mit ihrer Brille und dachte nach. »Das ist schwer«, murmelte sie. »Das ist so verdammt schwer, denn es liegt bereits einige Zeit zurück. Ja, ich glaube es zu wissen. Es waren ungewöhnliche Tattoos. Motive, mit denen wir nichts anfangen konnten. Sie sahen irgendwie mythologisch aus, wenn Sie verstehen, Mr. Sinclair.«
»Noch nicht ganz.«
»Na ja, es ist mir unangenehm…«
»Das braucht es Ihnen auf keinen Fall zu sein.«
Claire ließ die Brille wieder los. »Man sprach von Drachen oder Schlangen. Irgendwas Dämonisches glaube ich, und genau diese Stellen hatte das Feuer ausgespart.«
Mehr wußte sie nicht, und ich sagte leise. »Das ist in der Tat seltsam, Claire.«
»Finde ich auch.«
»Haben Sie eine Erklärung?«
»Nein, haben wir nicht. Die Kolleginnen sahen es als spaßig an. Aber eines würde mich interessieren, Mr. Sinclair: Weshalb kümmern Sie sich so intensiv um diese tote Person? Was ist da geschehen? Hatten Sie einen besonderen Kontakt zu ihr?«
»Nein, das kann man nun wirklich nicht sagen, denn ich kannte sie gar nicht.«
»Und trotzdem wollen Sie soviel von ihr wissen. Warum?«
»Es gibt da Probleme.«
Claire lächelte. »Deren Lösung möglicherweise mit dem Mann in einem Zusammenhang steht, der
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