0917 - Das Totenfest
dem Boden, aber ich machte und kämpfte weiter.
Es waren die Bewegungen eines Verzweifelten. Sie brachten nichts. Dafür zirkulierte der böse Schmerz durch mein rechtes Schultergelenk, als wäre dort ein Messer hineingestoßen worden.
Ich ächzte schwer.
Tränen schossen in meine Augen. Wenn mir der Arm gebrochen wurde, dann war ich verloren.
Hatte es Sinn, die Formel zu rufen, um das Kreuz zu aktivieren?
Ich hörte eine Stimme. Nur war es nicht die meine, denn sie gehörte Rhena, die in die Höhle hineinrief und dem Ghoul erklärte, daß sein Fest endlich beginnen konnte.
Er hatte sie gehört. Seine Bewegungen froren ein. Noch hielt er mich fest, aber er drückte meinen Arm nicht mehr höher, so daß ich eine Galgenfrist bekam.
Ich sah ihn nicht, aber über mir hörte ich ihn schreien, jaulen oder seufzen. Bei ihm war es möglicherweise ein Ausdruck der Freude, denn nun hatte er sein Ziel erreicht.
Der Druck an meinem rechten Arm lockerte sich. Der Schmerz ließ auch nach, als sich der Arm wieder senkte, und ich riskierte es und riß mich mit einer raschen Bewegung los.
Der Ghoul wurde überrascht. Er schnappte noch nach, aber ich hatte den Arm sehr schnell angewinkelt, so daß mich seine Klaue diesmal nicht erwischte. Dann rollte ich mich schon von ihm weg, wollte schießen, stellte aber fest, daß meine Schulter trotz der Befreiung derartig schmerzte, daß ich den Vorsatz vergessen konnte.
Gewonnen hatte ich nicht!
Aber der Ghoul kümmerte sich nicht um mich. Er hatte die Stimme der Frau gehört, und nichts konnte ihn mehr halten. Mit langen Schritten eilte er auf den Ausgang der Höhle zu, bevor ich es noch schaffte, auf die Beine zu kommen…
***
Suko hörte den leisen Schrei der Überraschung, der aus Rhenas Mund gedrungen war. Auf der Stelle drehte sie sich um. Sie sah Suko, und auf ihrem Gesicht stand ein Ausdruck der Panik.
Der Inspektor lächelte kühl. »Du hast gehört, was ich gesagt habe, Rhena?«
Sie war noch nicht in der Lage, eine Antwort zu geben. Der Höhle und dem Totenschädel drehte sie den Rücken zu. In ihren Augen wechselten sich Wut und Staunen ab. Ihre Lippen bewegten sich, aber sie schaffte es nicht, auch nur ein Wort zu sagen. Dafür schüttelte sie den Kopf.
»Es wird keine Feier geben.«
»Doch!« keuchte sie. »Es wird eine Feier geben. Das kann ich dir versprechen. Du wirst daran teilhaben, denn du wirst die Nahrung für ihn sein. Du und der andere. Die letzten Kerzen habe ich aufgestellt. In dieser Welt wird er erstarken und regieren. Und er wird auch bald wieder in die normale Welt zurückkehren, um das fortzuführen, was ihm so lange verwehrt worden ist. Er wird…«
Suko hatte sie bisher angeschaut, aber auch den Eingang der Höhle nicht aus den Augen gelassen.
Ein Vorteil, wie sich jetzt herausstellte, denn plötzlich erschien der Ghoul.
Rhena hatte nichts gesehen, aber etwas gespürt. Wieder drehte sie sich um, und Suko versetzte ihr mit der linken Hand einen Stoß, der sie zur Seite und zu Boden katapultierte, wo sie für einen Moment stumm liegenblieb, dann aber wieder aufsprang.
Der Ghoul war da.
Er hatte gestoppt.
Vor den Kerzen stand er. Der Schein leuchtete von unten her gegen seinen Körper. Er sah, daß diese Kreatur nackt war, nur über die Schultern hatte sie einen Umhang gehängt. Die Arme der Bestie waren sehr lang. Wenn er wollte, konnte er über die Kerzenreihe hinweggreifen und Suko packen.
Schaum stand vor seinen gewaltigen Reißzähnen.
Er wollte das Opfer, aber er mußte es tot haben, und er hatte Rhena gut eingeführt.
Sie hob den Stein auf. Hätte Suko nicht das dabei entstehende Kratzen gehört, wäre er nicht gewarnt worden. So aber schaute er nach links und erfaßte die Lage blitzschnell.
Rhena warf den Stein.
Suko duckte sich, und der kantige Klumpen fiel über seinen Kopf hinweg, um irgendwo zwischen den Kerzen zu landen.
Durch diese Aktion war Suko von seinem eigentlichen Gegner abgelenkt worden.
Der Ghoul nutzte die Gunst des Augenblicks. Über seine Festkerzen hinweg sprang er auf Suko zu.
Er war in diesem Augenblick nur das Tier, die Bestie, die sich hoch aufgerichtet, die Arme nach vorn gedrückt und die Hände zu Klauen gebogen hatte, um sie wie zahlreiche Messer in den Körper des menschlichen Feindes zu schmettern.
Der Inspektor war noch nicht dazu gekommen, seine Dämonenpeitsche zu ziehen. Noch mußte er sich mit den Fäusten oder seinem gesamten Körper wehren, was er auch tat, denn er rammte ihn leicht gedreht
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