0917 - Das Totenfest
wurde und die Nahrung immer weniger wurde.«
»Du meinst Vater und Tochter?«
»Ja. Sie haben mich entdeckt. Sie konnte ich überzeugen, daß es gut war, Freunde zu haben. Der Mann suchte damals einen Ort, wo er arbeiten konnte. Er kam in den Bunker, er war Nahrung für mich, aber ich überlegte es mir anders. Er sah das offene Tor und war entsetzt. Ich ließ ihn nicht entkommen, denn ich hatte auch seine Tochter gesehen, die bei ihm war. Sie glaubte an mich, und es gelang mir, sie in meinen Bann zu ziehen. Sie spürte meine Schwäche, das gebe ich zu. Ich war schwach geworden im Lauf der Zeit. Ich brauchte wieder Menschen, aber wegen meiner Schwäche traute ich mich nicht aus dem Bunker heraus. Tochter und Vater halfen mir. Sie standen mir bei, und ich konnte ihnen beibringen, daß ich wieder erstarken würde, wenn sie ein Fest für mich geben. Ein Totenfest, bei dem die Kerzen brennen und ich den Geruch der Verwesung einatmen kann. Nur er kann mich wieder stark machen, damit ich wie früher werde. Ich will leben, ich will an den Schwarzen Tod denken, ich will ihm ein Denkmal setzen, denn das Fest gehört auch ihm, nicht nur mir allein. Ich befinde mich in meiner Welt. Es ist ein Rest des alten Planeten, der einmal uns Ghouls gehörte, denn wir wurden auf ihn verflucht und auch verdammt für alle Zeiten.«
»Und so soll es auch bleiben«, sagte ich.
In den Augen der Kreatur schimmerte es. »Noch treiben wir im Strom der Zeiten, und wenn die letzten Kerzen aufgestellt sind, werde auch ich wieder erstarken.«
»Glaubst du denn, daß ich das zulasse?«
Er schielte auf die Waffe, dann blickte er in meine Augen. »Ich spüre, daß du jemand bist, der sich auskennt, der Bescheid weiß. Was ich so lange verborgen habe, ist freigekommen, aber ich habe damit gerechnet und bin ebenfalls nicht wehrlos. Daß du Waffen besitzt, weiß ich, aber noch ist nichts entschieden.«
»Stimmt. Wir beide werden diese Welt verlassen, allerdings zusammen mit einer anderen Person.«
»Rhena?«
»So ist es.«
»Sie wird nicht wollen. Sie fühlt sich hier wohl. Sie ist hier lieber als in ihrer Welt, denn sie spürte, daß sich hier die uralten Kräfte versammelt haben und…«
Da griff er zu.
So schnell, daß ich nicht mal dazu kam, abzudrücken. Mit seiner Klaue hatte er mein rechtes Handgelenk umklammert und bog es brutal zur Seite. Ich mußte zugeben, daß ich mich von seiner Stimme hatte einschläfern lassen, und ich war weniger wachsam geworden.
Um nicht ein gebrochenes Handgelenk zu riskieren, gab ich dem Druck nach und ging in die Knie.
Darauf hatte er gewartet. Seine freie Klaue hieb er mir in den Nacken und drückte mich zu Boden.
»Nahrung!« keuchte er dabei. »Wer immer du bist, ich werde dich vertilgen.«
Das glaubte ich ihm aufs Wort.
Während sich mein Kopf dem Boden näherte, schielte ich nach vorn, wo sich der Eingang der Höhle befand, und wo es eigentlich hätte dunkel sein müssen.
Aber dort sah ich das Licht.
Kerzenlicht, das noch fehlte, um das Totenfest für diesen Ghoul perfekt zu machen…
***
Rhena Hammer war durch das transzendentale Tor geschritten, und Suko war ihr gefolgt. Sie hatten den Mann in der normalen Welt zurückgelassen, der alles nicht begreifen konnte, denn Lee Hammer sah aus wie eine Statue, dessen Mund nicht verschlossen war. Er starrte ihnen nach und schlug schließlich die Hände vor seinem Gesicht zusammen, was Rhena und Suko nicht mehr mitbekamen, denn da hatte sie die andere Welt verschluckt.
Rhena wußte sicherlich Bescheid, daß sie nicht allein die Grenze überschritten hatte. Nur kümmerte sie sich nicht um Suko. Sie tat, als wäre er nicht vorhanden. Sie ging treu und brav ihrer eigentlichen Aufgabe nach. Suko mußte sich erst an die Welt der Flammen und an die des widerlichen Geruchs gewöhnen, das war bei Rhena nicht der Fall, denn sie fühlte sich wie zu Hause und benahm sich auch so.
Sie schritt sicher durch diese andere Welt. Sie wußte genau, wohin sie zu gehen hatte, und sie nahm den Pfad, der den Terrassenhang hoch und sie zwischen all die Lichter führte. Hinein in die riechenden Nebelwolken, als hingen in ihnen all die Geister der Ghoulopfer fest. Sie schaute sich nicht einmal nach ihrem Verfolger um, so sicher fühlte sie sich.
Suko schritt ihr nach.
Er war darauf gefaßt, angegriffen zu werden und hatte bestimmte Vorsorgen getroffen. So hatte er seine Dämonenpeitsche gezogen und den Kreis geschlagen. Die drei Riemen waren aus der Öffnung hervorgerutscht.
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