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0917 - Laertes' Grab

0917 - Laertes' Grab

Titel: 0917 - Laertes' Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Krämer
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dem Feld der Toten saß? Seine Abschweifungen in die Vergangenheit hatten ihm jedes Gefühl für die Zeit geraubt.
    »Ich bin es, Kylion.« Die Stimme kam direkt aus der Finsternis zu ihm. Es war die Stimme seiner Gefährtin - Gewena war gekommen um ihn hier zu finden. Suchen musste sie ihn nicht, denn sie kannte seinen Fluchtpunkt ja ganz genau.
    »Ist es vorbei?« Sie beantwortete seine sinnlose Frage nicht, sondern setzte sich zu ihm.
    »Ich will das alles nicht mehr, Kylion. Ich will keine Kinder mehr in mir tragen müssen, die bereits tot sind. Ist das die Strafe für all das, was wir früher getan haben? Sag du es mir.« Sie lehnte ihren kahlen Kopf gegen Kylions Schulter.
    Was sollte er ihr als Antwort anbieten? Er wusste es ja selbst nicht. Sie hätten diese Welt sofort wieder verlassen müssen, solange sie dazu noch fähig gewesen waren. Doch aus Angst vor Entdeckung hatten sie sich hier verkrochen - und dann war eine Flucht plötzlich nicht mehr möglich gewesen.
    Er nahm all seinen Mut zusammen. »Hier, bei unseren Toten, ist mir schon oft ein Gedanke gekommen, der einem Neslin absolut fremd sein sollte. Ich…«
    Gewena legte einen Finger auf Kylions Mund. »Sprich nicht weiter, denn ich weiß genau, was du gedacht hast. Aber so lange unsere Geschichte zurückreicht, ist kein einziger Fall bekannt, in dem sich ein Neslin selbst entleibt hat. Eine solche Handlungsweise kam für unser Volk niemals infrage.«
    Kylion nickte. Aber wie auch Gewena wusste er den Grund dazu. Die Neslin hatten gekämpft - immer schon. Warum sollte man sich also selbst töten, wenn der nächste Kampf doch schon in Sicht war? Durch Feindeshand zu sterben war eine Ehre; die Neslin waren sicher nicht das einzige Volk, das in diesen Bahnen dachte.
    Doch auf dieser Welt gab es keine Feinde.
    Kylion wünschte sich wirklich, dies würde sich ändern.
    Er legte einen Arm um Gewena. »Komm, lass uns zu unserer Parzelle gehen. Ich bin es satt, mir diesen Sternenhimmel anzuschauen, den wir ja doch nicht mehr erreichen können.« Gemeinsam erhoben sie sich. Kylion verharrte noch einen Moment lang. Sein Blick haftete auf dem ersten Grab , neben dem er gesessen hatte.
    »Warst du auch ein Verzweifelter?« Gewena sah ihn überrascht an, denn Kylion hatte laut gesprochen. »Oder wolltest du etwa gar nicht sterben, konntest dich dann aber doch nicht wehren? Was birgt dein Grab? Einen verwesten Körper… oder vielleicht nur eine Hand oder ein Bein? Wie magst du gestorben sein. Aber all das geht mich wahrscheinlich ja nichts an. Ich werde es auch sicher nie erfahren.«
    Kylion blickte in Gewenas schöne Augen. »Komm, auf Antwort werden wir sicher vergebens hoffen.«
    Gewena war verblüfft, dass ihr sonst so ernster Mann eine durchaus ironische Bemerkung gemacht hatte. Das kannte sie von ihm überhaupt nicht.
    Doch in letzter Zeit hatte sie oft das Gefühl, ihn nicht wirklich zu kennen…
    ***
    In letzter Zeit hatte Nicole Duval oft das Gefühl, Zamorra nicht wirklich zu kennen…
    Und dieses Gefühl beruhte auf Gegenseitigkeit, das war ihr klar. Dennoch war sie natürlich sofort bereit gewesen, den Spider-Flug mitzumachen. Schließlich ging es um zwei Leben - Rola DiBurn war ihr eine gute Freundin geworden; gegenüber Dalius Laertes hatte die Französin immer ihre Ressentiments gehabt - doch die hatten sich nach und nach in Nichts aufgelöst, weil ihr deutlich geworden war, wie sehr sich der Vampir für die Sache des Zamorra-Teams eingesetzt hatte.
    Vampir war das Schlagwort, der Knackpunkt.
    Nicole Duval hatte keinerlei Verständnis und noch weniger Gnade für die Kinder der Nacht. Sie selbst hatte den Vampirkeim einmal in sich getragen, war dem Vampirismus jedoch knapp entronnen. Seit dieser Zeit war nur ein gepfählter Vampir ein guter Vampir für sie. Allein Gryf ap Llandrysgryf - der Druide vom Silbermond - ging in seinem Hass wohl noch ein Stück weiter als sie.
    Und daher grübelte Nicole nun während des Fluges ständig über die eine Frage: Was, wenn Laertes es tatsächlich schaffen würde, seinen eigenen Körper, den er den alten Körper nannte, wieder zu aktivieren?
    War er dann noch ein Vampir?
    Der Biss, der ihn dazu gemacht hatte, war von Sarkana, dem alten Vampirdämon, gekommen, doch er hatte den Hals Sajols getroffen. Gute 400 Jahre hatte das Laertes-Bewusstsein in Sajols Körper als Bewusstsein existiert. Sajol war in der Kuppel der Herrscher verschwunden… und mit ihm auch der Vampir? Wenn ja - konnte Sajol ihn kontrollieren?

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