0918 - Höllen-Engel
passiert war, spürte Suko ebenfalls so etwas wie eine innere Spannung. Er konnte es sich selbst nicht erklären, es war einfach da, und wäre plötzlich eine Horde Dämonen aus einem der Läden gestürmt, dann hätte es ihn auch nicht verwundert.
Vor einem Geschäft, in dem sündhaft teure Kindermode aus Frankreich verkauft wurde, blieb er stehen. Er blickte in das Schaufenster hinein; ohne eigentlich zu realisieren, was er da sah. Im Laden selbst standen zwei Verkäuferinnen zusammen. Sie unterhielten sich und warfen ab und zu einen Blick in die Schaufensterauslage, wobei sie auch Suko entdeckten und ihn nicht eben freundlich anschauten.
Suko lächelte. Er drehte sich um, als neben ihm der Schatten eines Mannes erschien. Gerechnet hatte er damit schon länger, und deshalb war er auch nicht überrascht, einen der Aufpasser hier zu sehen. Er und seine Kollegen sollten für einen störungsfreien Ablauf und Einkauf sorgen. Er trug eine grüngraue Uniform, seine Haut war dunkel und sein Lächeln trotz allem wenig freundlich.
Suko lächelte zurück. »Sie haben mich gesucht?«
»Ja.«
»Warum?«
»Ich möchte mit Ihnen reden.«
»Über was?«
»Über gewisse Dinge, die Sie persönlich betreffen. Sie sind einigen Kunden aufgefallen, denen Ihr Verhalten nicht paßt, Mister.«
»Aha. Was habe ich denn getan?«
Der Mann seufzte. »Nichts, das ist ja das Problem. Man bat mich nur, einmal nachzuschauen, und da ich diesen Job behalten möchte, muß ich es auch tun.«
»Das kann ich verstehen«, erklärte Suko. »Sie haben es auch nicht leicht. Nicht in dieser Umgebung.«
»Eben.«
»Aber ich kann sie beruhigen, Mister. Den Herrschaften wird durch mich nichts geschehen. Darf ich Ihnen meinen Ausweis zeigen?«
Nicken.
Der Wächter bekam den Ausweis zu sehen. Er nahm ihn mit spitzen Fingern entgegen und wurde plötzlich verlegen. Hastig erhielt Suko das Dokument wieder zurück. »Sie müssen entschuldigen, das habe ich nicht wissen können. Aber ich tat nur meine Pflicht.«
Suko steckte seine Legitimation wieder weg. »Ihnen macht niemand einen Vorwurf, Mister.«
»Danke.«
»Es sind immer die anderen.«
»Leider, Sir. Sie denken, Sie könnten mit ihrem Geld die ganze Welt kaufen. Manchmal habe ich das Gefühl, daß es auch so ist. Aber dann denke ich daran, wenn sie mal gestorben sind und in die Kiste kommen. Da sind wir dann alle gleich, denn irgendwann bricht auch der teuerste Sarg zusammen.«
»Sie sagen es.«
Der Wächter kratzte sich am Kopf. Eine Geste der Verlegenheit. Schließlich hatte er Mut gefunden und sagte leise. »Darf ich Sie mal was fragen, Sir?«
»Bitte.«
»Sind Sie privat oder dienstlich hier?«
Suko lächelte, und es war nicht aufgesetzt, denn er sagte: »Das weiß ich selbst noch nicht. - Ja, es wird sich noch herausstellen.«
»Könnte es gefährlich werden?«
»Unter Umständen schon.«
»Was käme denn auf uns zu?«
»Wenn ich Ihnen sage, daß ich es nicht weiß, würden Sie mir denn glauben?«
»Ja. Ihnen schon.«
»Danke.«
»Dann ist es keine geheime Aktion. Die Warnung vor einem terroristischen Anschlag oder so ähnlich?«
»Ich bitte Sie! Wenn es so wäre, dann hätten wir doch längst hier räumen lassen.«
»Stimmt auch wieder.« Er nickte Suko zu. »Und nichts für ungut, bitte.«
»Ist schon okay.«
Der Wachmann ging seines Wegs, und Suko fing die Blicke der Menschen an der Champagnerbar auf, die ihm nicht gerade wohlgesonnen waren. Sie wunderten sich wohl, daß er nicht entfernt worden war, wagten aber nichts zu sagen, als er sie passierte und die Leute keines Blickes würdigte.
Er blieb nahe des gläsernen Fahrstuhl stehen, der fußfaule Käufer beförderte. Die kleine Kabine war fünfeckig gebaut. Wer sie bestieg, hatte einen guten Überblick und hatte für einige Zeit das Gefühl mitten im Raum zu schweben.
Noch immer saßen John und seine Begleiterin auf ihren Plätzen. Es hatte sich unter ihm nichts verändert. Nach wie vor war die Passage gut besucht, doch in den Geschäften standen die Verkäuferinnen und warteten auf Kunden.
Suko war es egal. Er brauchte in diese Welt nicht einzutauchen, und er war schon jetzt froh, wenn die Sache gelaufen war.
Man wußte nichts Konkretes, alles basierte auf Vermutungen, die allerdings von seinem Freund John Sinclair ernst genommen worden waren.
An die Geräuschkulisse hatte er sich längst gewöhnt. Sie war um ihn herum, sie erreichte ihn auch von unten, sie war normal geworden, und jeder fremde Laut wäre ihm
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