0918 - Höllen-Engel
Verderben zu sprechen, denn wir befanden uns inmitten der Glitzerwelt einer luxuriösen Einkaufspassage, die noch nicht sehr lange bestand, kaum zwei Jahre, und die trotzdem schon einiges hinter sich hatte, wie man in den Zeitungen des öfteren hatte lesen können.
Es hatte die große Euphorie nach der Eröffnung gegeben, aber die hatte nicht lange angehalten, denn viele Menschen waren nur hineingeströmt, um zu schauen, nicht, um einzukaufen, und so war bald der Katzenjammer für die Investoren und Geschäftsleute gekommen. Jetzt dümpelte die Luxusmeile so vor sich hin, und eigentlich hatten nur die Restaurationsbetriebe einigermaßen zu tun. In den teuren Boutiquen blieben die Inhaber auf ihrer Mode sitzen.
Wir besuchten ein Café. Auf unseren Plätzen vor dem Laden saßen wir mitten im Leben und konnten erkennen, was um uns herum geschah.
Genaues hatte auch Cheryl nicht gewußt. Ihr war nur bekannt, daß heute abend etwas passieren würde. Daß die Göttin einen ihrer anderen Engel losschicken wollte, um den Konsumtempel aufzumischen, und es war mit Gewalt zu rechnen.
Davon überzeugen hatte mich Cheryl nicht können, aber Suko und ich hatten an diesem Abend nichts vorgehabt, und Dan Walcott hatte auch sehr überzeugend gesprochen. Er konnte nicht bei uns sein, weil er Dienst hatte und in einem anderen Teil der Stadt in einem Streifenwagen unterwegs war.
Beide waren wir nervös, und je mehr Zeit verging, um so nervöser wurde zumindest Cheryl, denn sie schaute immer wieder auf ihre Uhr und bewegte unruhig die Finger.
Ich trank meinen Kaffee, der ein wenig bitter schmeckte. »Keine Sorge, Cheryl, es reißt dir keiner den Kopf ab, wenn das nicht eintritt, was du vorausgesagt hast.«
»Ich wäre aber blamiert.«
»Nein, so sehe ich das nicht. Sollte nichts passieren, geriete auch niemand in Gefahr.«
»Das stimmt.«
»Eben.«
Cheryl drehte den Stuhl und setzte sich so hin, daß sie die Beine an dem runden Bistrotisch vorbeistrecken konnte. Ihr Blick war zum Eingang hin gerichtet, den wir nicht sahen, sondern nur ahnen konnten. Er lag am Ende einer Passage, in der sich Geschäft an Geschäft reihte. Man verkaufte dort Mode, Schuhe und allerlei Schmuck, auch Modeschmuck. Porzellan, Zeitschriften und Blumen.
Andere kleine Läden verteilten sich in den Seitengängen oder in der Etage über uns, zu der zwei Treppen von verschiedenen Seiten hochführten. Da oben waren wir nicht, aber ich wußte, daß dort mein Freund und Kollege Suko wartete, wo er einen guten Überblick hatte.
»Wenn ich nur wüßte, wie sie genau vorgehen werden«, murmelte Cheryl. »Leider hat man mir nichts gesagt. Ich bin da völlig allein gelassen worden.«
»Du hast auch nicht gefragt, oder?«
»Gott bewahre!« rief sie. »Das hätte ich mich nie getraut.«
»Kann ich verstehen.«
»Ich weiß nicht mal, wie die Göttin oder der Höllen-Engel aussieht, John.«
»Ist sie dir nie beschrieben worden?«
Cheryl hob die Schultern. Dabei schaute sie die an den Nebentischen sitzenden Gäste an, als könnte sie unter ihren Gesichtern genau die Person erkennen, von der wir vorhin gesprochen hatten. »Nein, sie ist mir fremd und trotzdem vertraut. Ich weiß selbst nicht, wie ich dir das sagen soll. Aber von ihr muß eine gewisse Faszination ausgehen. Schön und gefährlich oder sogar teuflisch. Das ist wohl die Devise.«
»Wo lebt sie?«
Cheryl hob die Hände und ließ sie wieder sinken. Ihre Handflächen berührten die Tischplatte. »Das kann ich dir auch nicht sagen, John. Sie ist jemand, der im Nebel verschwindet und nur hin und wieder aus ihm auftaucht.«
»Du hast von einem Höllen-Engel gesprochen. Höllenengel kenne ich schon…«
Sie drehte den Kopf. »Meinst du die Typen auf den schweren Maschinen?«
»Genau die.«
»Dann weiß ich, was du willst.«
»Was denn?« fragte ich lächelnd.
»Du glaubst, daß sie die Anführerin einer Gruppe von Hells Angels ist?«
»Daran habe ich zumindest gedacht.«
Cheryl schüttelte den Kopf. »Nein, John, es stimmt nicht. Es ist falsch oder auch richtig. Diese Leute sind nicht die Höllenengel, wie man sie aus irgendwelchen Zeitungsberichten und Filmen kennt. Es sind andere, das mußt du mir glauben.«
»Haben sie keine Maschinen?«
»Sowohl als auch. Ich weiß ja nicht, wie sie zu den Treffpunkten gelangt sind. Sicherlich haben einige Motorräder benutzt. Ich weiß auch nicht, wie groß der Kreis ist. Soviel aber habe ich in Erfahrung bringen können. Sie alle, die zur Göttin gehören,
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