0918 - Höllen-Engel
aufgefallen.
Das Knattern paßte nicht dazu.
Suko hatte seinen Platz noch, nicht verlassen, als er es hörte. Er schaute nach vorn und zugleich nach unten. In diesem Moment gratulierte er sich selbst, an diesem Ort zu stehen, denn seine Sicht war ausgezeichnet. Er konnte nicht nur nach unten schauen, sondern auch nach vorn, praktisch in den breiten Durchgang hinein, an dessen Ende sich der Eingang zur Passage befand.
Dort tat sich etwas, denn von dort erreichte ihn das Geräusch.
Da kam jemand!
Selbst Suko wollte kaum glauben, was er da zu sehen bekam. Es war eine dunkel gekleidete Gestalt, die auf einer schweren Maschine saß. Suko, der Fachmann, konnte sogar erkennen, daß es sich um ein japanisches Fabrikat handelte, und er sah auch, daß sich Cheryl Lupa und John Sinclair von ihren Plätzen erhoben hatten.
Sie starrten ebenfalls auf den Eingang.
Suko krampfte für einen Augenblick die Hände um den runden Handlauf. Es wollte ihm nicht in den Kopf, aber es stimmte, denn der Mann auf dem Motorrad gab Gas…
***
Der Fahrer fühlte sich super. Es war genau der Kick, den er brauchte. Es war über ihn gekommen wie ein plötzlicher Stromstoß, als er mit seiner Maschine in die breite Passage hineinfuhr. Der Mann beherrschte seine Maschine, er fuhr im Schrittempo, er gab sich gelassen, denn er war der King.
Und er würde es bleiben. Er würde es allen im Namen der Göttin zeigen, er war ein würdiger Diener des Höllenengels. Da er so langsam fuhr, gelang es ihm, die Umgebung genau aufzunehmen, als wäre er in einen Film hineingetaucht, sogar als Hauptdarsteller.
Keiner hielt ihn auf.
Die Menschen, die ihn auf dem Gehsteig sahen, blieben stehen oder traten hastig zur Seite, um diesen Mann durchzulassen.
Und er fuhr.
Er war der King, die anderen machten ihm Platz. Ihre Gesichter sah er trotz seiner langsamen Fahrt wie Momentaufnahmen, und so erkannte er den Schreck, die Überraschung oder das Unverständnis auf ihren Zügen. So etwas hatte noch nie jemand gewagt, aber einer mußte schließlich den Anfang machen.
Der Fahrer sah den Eingang der Passage.
Sehr breit. Er brauchte nicht mal ein guter Lenker zu sein, um in die Passage fahren zu können. Sie öffnete sich ihm wie ein gewaltiger Rachen, der allerdings nicht hinein in die bedrohliche Höllenwelt führte oder in die Tiefen eines pechschwarzen Schlundes, sondern in die Glitzerwelt eines modernen Konsumtempels, in dem ebenfalls der Teufel herrschte, dort aber auf den Namen Mammon hörte.
Hier war die Hölle subtiler, noch verführerischer, hier strahlte sie die Käufer an, und hier verbarg sie sich hinter einer falschen Fassade, die von dem Mann aufgerissen werden sollte.
Brutal und gnadenlos.
So hatte der Auftrag gelautet, und so würde er ihn auch durchführen. Kaum hatte ihn die Passage verschluckt, gab er mehr Gas und gewann an Tempo.
Das Geräusch verstärkte sich. Der Motor wummerte. So zumindest hörte es sich an, weil der Schall von den Schaufensterscheiben der Geschäfte zurückgeworfen wurde.
Es ging voran.
Und die Welt mit ihren Suchtkranken Käufern nahm ihn auf. Sie hörten und sahen ihn, und sie wußten nicht, wie sie ihn einordnen sollten. Möglicherweise hielten ihn einige für einen Werbegag, denn in diesen Konsumtempeln ließen sich die Geschäftsleute immer etwas einfallen, um an das Geld der Kunden zu kommen.
Diesmal war es kein Gag, sondern blutiger Ernst, das würde er all den Zuschauern beweisen.
Er fuhr weiter.
Das Geräusch des Motors hüllte ihn ein. Es war für ihn wie der schönste Gesang. Hinter seinem Visier hatte sich der Mund zu einem Lächeln verzogen, das aber sahen die meisten der Zuschauer nicht. Sie starrten ungläubig auf den einsamen Motorradfahrer, der tatsächlich in dieser Umgebung einsam wirkte.
Wenn er langsam an den Schaufensterscheiben vorbeifuhr, spiegelte sich seine Gestalt dort. In dem Glas sah es aus, als würde dort ein böser Schatten entlanghuschen.
Sein erstes Ziel war die große Rotunde in der unteren Etage, der Mittelpunkt des Centers. Dort würde er explodieren, da kannte die Gewalt dann keine Grenzen mehr, und schon jetzt war er bereit, jeden umzufahren, der sich ihm in den Weg stellte.
Ein junger Mann schaffte es soeben noch, seine Freundin zur Seite zu ziehen, sonst hätte die schwere Maschine sie gestreift. Der Motorradfahrer fuhr weiter und lachte, doch niemand hörte ihn.
Er sah alles wie auf einer Bühne vor sich. Die Menschen, teilweise noch starr vor Entsetzen, starrte ihn
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