Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
092 - Piraten im Nordmeer

092 - Piraten im Nordmeer

Titel: 092 - Piraten im Nordmeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
Vom Netzwerk:
solch nebligen Nacht unbemannt war. Er löste sich von der Heckreling, öffnete eine Tür der Decksaufbauten und überwand mit schnellen Schritten die schmale Stiege, die zur Brücke hinauf führte.
    Der Raum, der einem halben Dutzend Menschen Patz bot, war tatsächlich leer. Rulfan trat hinter das festgezurrte Ruder und schaute auf das lange, aufgeräumte Deck hinaus, das sich bis zum stumpfen Bug der Genosse Troozki hinzog.
    Die meisten Albinos sahen schlecht und viele erblindeten irgendwann, doch Rulfans Augen waren in Ordnung. So nahm er auch den gelblichen Lichtschein wahr, der sich vor dem Bug und dem sich nähernden Nebelfeld auf dem Wasser spiegelte.
    Der Rudergast war ein stämmiger Bursche mit einem roten Stirnband und hieß Ulaf. Er stand am Bug und schwenkte eine Laterne. Hatte er etwa im Nebel vor ihnen ein Schiff erspäht und warnte es vor einer Kollision? Brauchte er Hilfe? War es vielleicht angeraten, den Kapitän zu wecken?
    Rulfan glitt die Stiege hinunter und eilte durch den Decksaufbau, auf dem die Brücke in die Höhe ragte. Er betrat das Deck durch eine Tür, die sich zum Bug hin öffnete. Gerade als er die Stimme erheben wollte, um Ulaf zu fragen, ob er Unterstützung brauchte, fuhr der Mann herum wie ein kleiner Junge, den seine Mutter mit der Hand im Marmeladenglas erwischt hat.
    Obwohl die Sicht alles andere als gut war, konnte der Albino das schlechte Gewissen im Antlitz des stämmigen Seemanns deutlich erkennen und wusste sofort, dass Ulafs Lichtsignale nicht dazu dienen sollte, jemanden zu warnen.
    Ganz im Gegenteil.
    Ulaf ließ die Laterne fallen. Seine Rechte zuckte zum Gurt, an dem ein halbes Dutzend Klingen hingen. Im nächsten Moment blitzte in seiner Hand ein langes Messer auf. Keine Frage, er fühlte sich ertappt. Und nun legte er es darauf an, den Zeugen seines Tuns zum Schweigen zu bringen.
    Ulafs Hand flog hoch. Schon sirrte eine Klinge auf Rulfan zu und drang mit einem dumpfen Pochen hinter ihm in die Wand.
    Rulfan hatte sich blitzschnell über die rechte Schulter abgerollt, kam wieder hoch wie eine Katze und ging in Kampfposition.
    Leider hatte er schlechte Karten – denn auf eine Waffe hatte er bei seinem nächtlichen Luftschnappen verzichtet.
    Beide Kontrahenten wurden abgelenkt, als die Tür plötzlich aufschwang. Rulfan verzichtete darauf, sich zu dem Neuankömmling umzudrehen. Um wen es sich handelte, verdeutlichte ihm David McKenzies erschreckter Ausruf.
    Vom Bedürfnis nach frischer Luft ins Freie getrieben, konnte sich der Astrophysiker im ersten Moment keinen Reim auf das Geschehen machen, das sich ihm bot, doch als er den bewaffneten Ulaf sah, begriff er, dass sein Gefährte in Schwierigkeiten war.
    Der Rudergast hatte sich ihm instinktiv zugewandt, und Rulfan nutzte die unverhoffte Chance und katapultierte sich mit einem Satz vorwärts.
    Als Ulaf, in jeder Hand einen Dolch, seinen Fehler erkannte, war es schon zu spät. Rulfans Faust explodierte an seinem Kinn und warf ihn rücklings auf die Planken. Die beiden Messer entglitten seinen kraftlos gewordenen Fingern.
    McKenzie war stehengeblieben wie festgenagelt und starrte an den beiden Kämpfern vorbei. Rulfan folgte seinem Blick über den benommenen Seemann hinweg in Richtung Bug.
    Dann erstarrte auch er.
    Am Rande des wirbelnden Nebels waren zwei gigantische Totenkopfskulpturen aufgetaucht, denen sich die Genosse Troozki unaufhaltsam näherte. Es sah aus, als hatten zwei Seedämonen ihre Häupter aus den finsteren Fluten erhoben.
    Aber natürlich waren es keine Dämonen – sondern ein fremdes Schiff! Ein riesiger Katamaran!
    Rulfan überwand seine Schrecksekunde schneller als McKenzie. »Zum Ruder!«, stieß er hervor. »Schlag Alarm! Ich kümmere mich um Ulaf!«
    Dave diskutierte nicht lange und fuhr auf der Ferse herum.
    Während er zur Brücke hinauf stürmte, brüllte er die Schläfer aus ihren Kojen.
    Der Rudergast hatte sich in der Zwischenzeit wieder auf die Beine gekämpft und rieb sich das schmerzende Kinn. Schritt für Schritt wich er zurück.
    Rulfan setzte nach und trieb den angeschlagenen Ulaf vor sich her, bis die beiden Männer schließlich am Bug anlangen, wo es nicht mehr weiter ging. Rulfan warf einen schnellen Blick zurück und sah, dass auf der Brücke des Raddampfers mehrere Gestalten – unter ihnen McKenzie und Kapitän Boronin – hektisch durcheinander rannten und das festgezurrte Ruder lösten. Reichte die Zeit, den Dampfer zu wenden, damit er nicht mit dem Katamaran kollidierte?
    Der

Weitere Kostenlose Bücher