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092 - Piraten im Nordmeer

092 - Piraten im Nordmeer

Titel: 092 - Piraten im Nordmeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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»Wer bist du? Du bist anders.«
    David McKenzie riskierte ein Blinzeln. Die scharfe Klinge schwebte immer noch über ihm, doch sie bewegte sich nicht.
    Erst jetzt fiel ihm auf, dass er die Frau verstanden hatte. Sie sprach Englisch! »Ich…«, begann er und suchte nach Worten, »ich bin ein Reisender… aus Britana! So wie du!« Es war der verzweifelte Versuch, sie für sich einzunehmen.
    »Ich komme nicht aus Britana«, machte sie seine Hoffnung zunichte. »Aber ich spreche die Sprache.« Sie deutete mit der Schwertspitze zwischen seine Augen. »Was hast du da auf der Nase?«, fragte sie. »So ein Ding habe ich schon mal in Osloo gesehen.«
    »Wie? Was?« Im ersten Moment konnte McKenzie mit der Frage nichts anfangen. Dann tastete er sich ins Gesicht und verstand. Meine Brille! Sie meint meine Brille!
    Diese ganze Situation erschien ihm unwirklich. Unter ihm an Deck und im Rumpf des Schiffes kämpften und starben Menschen, klirrte Eisen, sanken brave Seeleute unter den Hieben zu allem entschlossener Seeräuber zu Boden… und er machte Smalltalk mit einer Freibeuterin!
    »Man sieht solche Dinger nicht oft«, sagte die Frau kehlig und trat zurück. »Außerdem…«, ihr Blick glitt über Daves Kombination, die er in der Community London erhalten hatte, »… siehst du irgendwie anders aus.«
    »Ich bin kein Seemann«, erwiderte Dave, um überhaupt etwas zu sagen, denn wie alle intelligenten Menschen hielt es für besser, mit dem Feind zu reden als ihn durch Zähnefletschen zu provozieren. »Ich bin ein… Reisender.« Dann durchzuckte ihn ein Geistesblitz: »Ich komme, wie gesagt, aus Britana… aber eigentlich stamme ich aus Meeraka!« Er legte einen verschwörerischen Ton in seine Stimme.
    Meeraka war für die Völker Europas kaum mehr als eine Legende, ein geheimnisvolles Land »hinter dem Ende der Welt«. Es konnte nur von Vorteil sein, die Neugierde der Rothaarigen zu schüren. Falls sie je von Meeraka gehört hatte.
    Sie hatte.
    »Aus Meeraka?« Die Piratenbraut trat einen weiteren Schritt zurück, als sähe sie plötzlich ein exotisches Tier in ihm. Sie überlegte kurz und kam dann zu einer Entscheidung. »Wenn du dich ergibst und schwörst, mein Bursche zu sein, verschone ich dich. Das Gesetz der Flybusta gibt mir das Recht dazu.«
    Flybusta? Dave fühlte sich an das Wort Flibustier erinnert, mit dem die Franzosen die Piraten des 15. Jahrhunderts bezeichnet hatten.
    Und natürlich wollte er lieber Bursche sein als eine Leiche.
    Was immer Burschen in der heutigen Zeit auch tun mussten, die einer solchen Herrin dienten. Er nickte heftig.
    »Einverstanden!«
    »Ich bin Laryssa, der Erste Offizier der Sturmbraut«, sagte die Rothaarige. Sie reichte Dave die Hand und half ihm beim Aufstehen. »Warte hier. Greife nicht in den Kampf ein, es würde unseren Bund sofort lösen. Und wenn dir einer unserer Leute ans Leben will, sag ihm, dass du unter Laryssas Schutz stehst!«
    Mit diesen Worten stürmte sie hinaus und warf sich erneut in die Schlacht.
    David McKenzie, einerseits froh, seinen Hals gerettet zu haben, andererseits vom schlechten Gewissen geplagt, der Besatzung der Genosse Troozki nicht beistehen zu können, wandte sich dem zerbrochenen Brückenfenster zu. Er erstarrte, als er sah, wie die letzten vier Getreuen Boronins an der Reling von einem Kommando niedergemacht wurden, das ihnen dreifach überlegen war. Dann fiel ihm Rulfan ein, und sein Blick irrte hektisch über das von Menschen und Leichen wimmelnde Deck der Genosse Troozki. Auch die Flybusta hatten Verluste zu beklagen.
    Als er seinen Gefährten endlich entdeckte, verspürte er einen heftigen Stich in der Brust: Der Albino lag, alle viere von sich gesteckt, mittschiffs an Deck. Seine rechte Hand umklammerte das erbeutete Schwert, doch auch aus der Ferne konnte man sehen, dass er entweder besinnungslos oder tot war. Wulf stand mit gesträubtem Fell auf dem Rücken seines reglosen Herrn und zeigte den Piraten die Zähne, die den Gefallenen in geduckter Stellung umringten. Sie wagten es nicht, die Wolfsbestie anzugreifen. Zumindest nicht mit dem Säbel. Aber es war nur eine Frage der Zeit, bis jemand ein Messer oder eine Lanze schleudern würde…
    Der stutzerhaft gekleidete Pirat mit dem Federhut – Dave hielt ihn für den Kapitän des Katamaran – humpelte fluchend zu den Männern hin, die Rulfan und Wulf umringten, und wies anklagend auf seinen ramponierten Stulpenstiefel.
    Offensichtlich wollte er Wulf lebend, denn man schaffte ein Netz herbei

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