092 - Schreie aus dem Sarg
seinen Zähnen klemmte die unvermeidliche Zigarre. Ohne sie traf man ihn nur nachts im Bett an.
Peckinpah war sechzig. Ein Mann mit sagenhaften, weitreichenden Verbindungen und mehr Geld, als er jemals ausgeben konnte. Diesen Reichtum setzte er im Kampf gegen das Böse ein.
Cruv schwang sich hinter das Steuer. Wie er mit seinen kurzen Beinen die Pedale erreichte, war allen ein Rätsel, aber er schaffte es irgendwie.
Sie verließen Peckinpahs Anwesen und fuhren nach Southwark. Kurz vor der Blackfriars Bridge bog Cruv links ab, und wenig später hatten sie ihr Ziel erreicht: ein großes, altehrwürdiges Gebäude, dessen Fassade erst kürzlich renoviert worden war.
Hier fand eine Juwelenausstellung statt, die sich Tucker Peckinpah ansehen wollte.
Vor dem Gebäude standen Polizeibeamte. Drinnen natürlich auch. Und es gab eine private Sicherheitstruppe, die darauf achtete, daß niemand lange Finger machte.
Das palaisähnliche Haus bildete einen würdigen Rahmen für die erlesenen Prachtstücke. Die Ausstellung war gut besucht. Viele Menschen wollten die herrlichen Edelsteine und glitzernden Geschmeide in den Panzerglasvitrinen sehen.
Seit jeher üben Edelsteine auf die Menschen eine große Faszination aus. Die Leute berauschen sich an ihrem Anblick, und so mancher wäre bereit, alles zu tun, um sie in seinen Besitz zu bringen.
Tucker Peckinpah kaufte einen Katalog, in dem die wertvollen Ausstellungsstücke registriert waren. Es gab auch einen Plan, damit man sich in dem großen Gebäude zurechtfand.
»Besonders gespannt bin ich auf die Augen des Todes«, sagte der Industrielle und griff automatisch nach der Zigarre in seinem Mundwinkel - bis er bemerkte, daß er sie nicht mehr trug. Beim Betreten des Hauses hatte man ihn gebeten, sich von seiner Zigarre zu trennen. Er hatte es ohne Widerrede getan. »Viele unheimliche Geschichten ranken sich um diese handbemalten Diamanten«, fuhr er fort.
»Sie sollen gefährlich sein«, sagte Cruv.
»Wenn sie in falsche Hände geraten, ja. Mit Hilfe von schwarzer Magie soll man eine Kraft aktivieren können, die sich in ihnen befindet. Deshalb würde ich sie sofort kaufen, wenn sie verkäuflich wären, aber das sind sie nicht.«
»Angenommen, sie wären verkäuflich. Was würden Sie dann mit den Augen des Todes tun?«
»In einen Panzerschrank schließen, damit niemand mit ihrer Hilfe Schaden anrichten kann. Stellen Sie sich vor, Professor Kull bekäme die Augen des Todes in die Hände. Ich hätte schlaflose Nächte.«
»Wir wollen hoffen, daß er nicht auf die Idee kommt, sich diese Diamanten zu holen«, sagte Cruv.
Peckinpah warf einen Blick auf den Plan. »Im nächsten Saal werden wir sie finden.«
Sie gingen auf eine hohe offene Tür zu, durchschritten sie, und plötzlich blieb Cruv stehen und zog die Luft geräuschvoll ein.
»Was ist los, Cruv?« fragte Tucker Peckinpah seinen kleinen Leibwächter. »Was haben Sie?«
»Nicht Mortimer Kull interessiert sich für die Augen des Todes, Sir, sondern jemand anders. Sehen Sie, wer vor der Vitrine steht!«
Der Industrielle sah ein gut gebautes Mädchen. Es hatte kastanienbraunes Haar, das in weichen Wellen über ihre Schultern floß.
»Das ist die Zauberin Arma!« stieß Cruv aufgeregt hervor, und seine Hand schloß sich so fest um den Silberknauf seines Stocks, daß die Knöchel weiß durch die Haut schimmerten.
***
Die attraktive Zauberin schlich um die Vitrine herum wie die Katze um die Beute. Plötzlich sah sie durch das Glas den Industriellen und den Gnom.
Ein Ruck ging durch ihren schlanken Körper. Sie wandte sich um und entfernte sich hastig. Cruv und Peckinpah folgten ihr. Arma hatte es eilig, den Saal zu verlassen.
Sie trat auf einen Flur und öffnete eine Tür. Jemand vom Sicherheitspersonal sah das.
»Hallo!« rief der uniformierte Mann. »Hallo, Sie!«
Arma schloß die Tür hinter sich. Der Mann folgte ihr. Sie eilte eine Treppe hinunter. Im Halbstock blieb sie jedoch stehen, um sich des lästigen Mannes zu entledigen.
»Tut mir leid, Madam, aber hier dürfen Sie sich nicht aufhalten«, sagte der Uniformierte höflich. Er nahm an, Arma habe sich verlaufen.
Sie war so hübsch, sah so zart und sanft aus, daß er nicht ahnen konnte, wie gefährlich sie war.
»Oh«, sagte sie lächelnd, aber dieses Lächeln erreichte nicht ihre dunklen Augen. »Ich muß wohl die falsche Tür erwischt haben. Entschuldigen Sie.«
»Ist kein Malheur«, sagte der Mann. »Wohin wollen Sie denn?«
»Raus aus diesem Haus«,
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