092 - Schreie aus dem Sarg
den Gnom in den Livingroom. Er bot ihnen Platz und einen Drink an. Er war ganz Hausherr.
»Ist Tony da?« wollte der Industrielle wissen.
»Nein«, antwortete der Ex-Dämon. »Und ich habe keine Ahnung, wo der Knabe steckt. Er fuhr gestern zu Pater Severin. Seither ist er spurlos verschwunden.«
»Es hat ihn doch hoffentlich nicht schon wieder in eine andere Dimension verschlagen«, sagte Peckinpah.
»Ich habe wirklich nicht den leisesten Schimmer, wo er stecken könnte, und gemeldet hat er sich bis jetzt noch nicht.«
Der Industrielle kräuselte die Nase. »Ich will ja nicht unken, aber das halte ich für kein gutes Zeichen.«
»Ich auch nicht«, gab Mr. Silver zu. »Haben Sie zufällig Radio gehört?«
»Nein«, sagte der Industrielle.
»Dann wissen Sie nicht, was auf dem Holy Cross Cemetery passiert ist.«
Der Industrielle schüttelte den Kopf.
»Yora ist in London«, sagte Mr. Silver.
»Yora auch?«
»Was heißt auch ? Wer noch?«
»Arma«, sagte Peckinpah und erzählte, was er und Cruv erlebt hatten.
Der Ex-Dämon fing an zu kombinieren. »Arma interessiert sich für die Augen des Todes. Und Yora macht einen Juwelendieb zum Zombie.«
»Dann will auch sie die Diamanten haben!« begriff Tucker Peckinpah sofort.
»Zwei schwarzblütige Wesen haben es auf die Augen des Todes abgesehen…« sagte Mr. Silver.
»Und wir«, ergänzte Tucker Peckinpah.
»Wieso wir?«
»Weil wir nicht zulassen dürfen, daß die Diamanten entweder in Yoras oder in Armas Hände gelangen.«
»Das ist doch wohl klar«, gab Cruv seinen Senf dazu. »Wir müssen bei dieser Sache gewissermaßen die lachenden Dritten sein.«
Mr. Silver schmunzelte. »Dieser Cruv ist doch wirklich ein ganz gerissenes Kerlchen.«
»An mir kannst du dir ein Beispiel nehmen«, tönte der Gnom.
»Lieber nicht«, sagte Mr. Silver und wollte noch eine Bosheit dranhängen, aber Tucker Peckinpah fuhr schnell dazwischen: »Ich habe während der Fahrt einen Plan geschmiedet. Hören Sie ihn sich an und sagen Sie mir, was Sie davon halten, Mr. Silver.«
***
Die Zeit verrann wie zähflüssiger Sirup. Ich dachte an meine Freunde, die meinetwegen wahrscheinlich schon unruhig geworden waren. Es kam so gut wie nie vor, daß sie nicht wußten, wo ich zu erreichen war - wenn es keine unvorhergesehenen Probleme gab.
Wenn ich daran dachte, daß Yora bald die Augen des Todes besitzen würde, bekam ich Magenkrämpfe. Mir war nicht bekannt, was sie damit alles anstellen konnte, aber es würde nicht wenig sein.
Erroll Cosby hatte mir ein fürstliches Frühstück gebracht. Sie fütterten mich wie einen Ehrengast, weil sie es sich mit Yora nicht verscherzen wollten.
Wenn die Totenpriesterin von hier verschwand, würden die Augen des Todes und ich bei ihr sein. Vielleicht würde sie mir dann demonstrieren, was sie mit den bemalten Diamanten alles anstellen konnte.
Verständlich, daß ich sie auf ihrem Weg in eine andere Dimension lieber nicht begleitet hätte. Aber dazu wäre es nötig gewesen, mich erst mal dünnezumachen.
Doch wie sollte ich das bewerkstelligen? Sie hatten mir alles abgenommen, was ich bei mir gehabt hatte. Ich blickte an mir hinunter. Keine Waffe hatten sie mir gelassen.
Ob sich mit dem Gürtel etwas anstellen ließ? Ich öffnete ihn und zog das Leder durch die Schlaufen. Wenn ich den spitzen Dorn zwischen Zeige- und Mittelfinger klemmte und ihn jenem Gangster, der mir das Mittagessen brachte, an die Halsschlagader setzte, mußte das doch einigen Eindruck machen.
Ich bereitete mich seelisch auf den Angriff vor, und es dauerte nicht lange, bis ich Schritte vernahm, die sich der Tür meiner Zelle näherten.
Mein Herz schlug sofort ein paar Takte schneller. Ich verbarg die Hand mit dem Gürtel hinter meinem Rücken und wartete. Egal, wer eintrat, ich hatte für ihn eine unangenehme Überraschung bereit.
Ich vernahm ein mehrfaches metallisches Klacken und hielt unwillkürlich die Luft an. Wenn ich mit meiner Attacke Erfolg hatte, war noch nicht viel gewonnen, denn es gab noch viele weitere Hürden zu überwinden, aber ein wichtiger Anfang würde gemacht sein.
Die Tür schwang auf, und ich sah Bill O'Hara. »Alles okay, Ballard?«
»Alles bestens«, gab ich zurück.
»Das hört man gern. Schließlich möchten wir nicht, daß du dich bei Yora beklagst.«
»Ich komme mir wie in einem Luxushotel vor. Nur die Einrichtung ist ein bißchen spartanisch, und an der Tür fehlt die Klinke.«
»Eine Vorsichtsmaßnahme, damit du uns nicht abhanden
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