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0920 - Mandragoros Alptraum

0920 - Mandragoros Alptraum

Titel: 0920 - Mandragoros Alptraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Tod bringen wollen, aber der Tod hatte ihn überrascht.
    Vicenca stand auf. Sie spürte nicht die Spur von Mitleid mit ihm.
    Die Klinge ließ sie wieder im Griff verschwinden und steckte das Messer in ihren Rockbund.
    Danach ging sie zu dem anderen.
    Auch er lebte nicht mehr. Pflanzen umspannen wie dünne Stricke die Beine, als wollten sie ihn für einen bestimmten Zweck fesseln.
    Die Frau setzte sich wieder an den Tisch. Kaum hatte sie ihren Platz eingenommen, als es über sie kam. Das Zittern und das Schlagen der Zähne aufeinander konnte sie nicht vermeiden, ebenfalls nicht die Tränen, die aus den Augen drangen.
    Es war einfach vorbei mit ihrer Beherrschtheit. Zu lange schon hatte sie still sein müssen. Da hatte sie sich zusammengerissen und war stark gewesen, jetzt aber konnte sie nicht mehr.
    Dann schaute sie wieder hoch.
    Ihr Mann hatte sich gesetzt. Er reichte ihr ein Taschentuch. Vicenca mußte über seine fürsorgliche Geste lächeln und flüsterte mit erstickt klingender Stimme: »Danke, du bist lieb…«
    »Ich mag nicht, wenn du weinst.« Auch er wischte über seine Augen.
    Ludmilla rührte sich nicht. Sie wirkte wie jemand, der nicht dazugehörte. Ihr Gesicht war blaß geworden, und trotzdem wies es rote Flecken auf den Wangen aus. Sie bewegte sich auch, blickte mal zu Susa hinüber, dann wieder zu Chicon, die beide starr lagen und für sie wie Puppen aussahen. Es war kaum zu fassen, daß diese Männer sie vor kurzem noch so schrecklich gequält hatten. Der furchtbare Alptraum war leider Realität geworden. Wie die beiden Toten. Sie bildete sich die starren Körper nicht einfach ein. Es gab sie, und es gab auch die Pflanzen, die bereits die Herrschaft über die Wohnung errungen hatten.
    Auf dem Boden hatten sie ein regelrechtes Netz aus mehr oder weniger dünnen Lianen hinterlassen. Sie waren ineinander verschlungen, sie bildeten Kreuzungen oder drehten sich in die Höhe wie alte Telefonschnüre.
    Begreifen konnte sie nichts. Nur einfach hinnehmen und daran denken, daß sie einem grausamen Schicksal entwischt war.
    Aber welches lag vor ihr? Ludmilla drehte sich instinktiv um, denn zu Vicenca hatte sie Vertrauen gefaßt. Sie war auch die einzige, die ihr eine Antwort geben konnte. Heimlich bewunderte sie die Frau, die so gar nichts Heldenhaftes an sich hatte und eher wie eine Matrone wirkte, was Ludmilla an Frauen aus ihrer Heimat erinnerte.
    Beide blickten sich an. Ihre Gesichter waren verquollen. Als hätten sie sich abgesprochen, fingen sie an zu lächeln, das allerdings sehr gequält über ihre Lippen drang. Ludmilla wollte sich bedanken, aber Vicenca kam ihr mit einer Geste zuvor. Sie streckte ihren Arm aus und streichelte die Hand der Russin.
    Ludmilla schloß für einen Moment die Augen. Das Gefühl, von der anderen Frau berührt zu werden, tat ihr gut. Es gab ihr sogar etwas von der alten Kraft zurück, und ihre Lippen formten ein leises »Danke«.
    »Für was?« fragte Vicenca.
    »Für alles. Du hast mein Leben gerettet.«
    »Nein, das war Pepe.« Der hatte zugehört und widersprach. »Es waren die Pflanzen. Sie sind auf der einen Seite Lebensretter und auf der anderen Mörder. Ich kann es nicht fassen. Ich komme damit nicht zurecht, und ich weiß auch nicht, wie es weitergehen soll.«
    »Das Haus gehört uns nicht mehr«, flüsterte Ludmilla. »Es hat uns zwar nie gehört, aber ich meine jetzt die Wohnung. Hier ist etwas anderes der Besitzer geworden. Könnt ihr das begreifen? Hier hat sich jemand etabliert, hineingedrückt.« Sie winkte ab. »Himmel, ich verstehe das alles nicht.«
    »Wir müssen weg!« sagte Pepe.
    Schweigen. Dann lachte Ludmilla. Und Vicenca fragte: »Wohin willst du denn gehen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Dann laß uns bleiben.«
    Pepe lachte kehlig auf und hustete danach. »Mit diesen beiden toten Verbrechern?«
    Wieder legte sich das Schweigen über den Raum, denn Pepe hatte ein Thema angesprochen, über das noch keiner so richtig nachgedacht hatte.
    »Stimmt«, sagte Ludmilla.
    »Was machen wir mit ihnen?« fragte Pepe seine Frau, die gerade eine Schublade aufgezogen hatte. Ihr entnahm sie eine kleine Blechdose und klappte den Deckel auf. Die Dose enthielt Tabak in der einen Hälfte. In der zweiten befand sich das entsprechende Papier, und ein kleines Feuerzeug war ebenfalls vorhanden.
    Vicenca gehörte zu den geschickten Zigarettendreherinnen. Sie konnte einen Glimmstengel herstellen, ohne dabei auf ihre Finger schauen zu müssen. Jetzt aber tat sie es, und sie sah

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