0920 - Mandragoros Alptraum
zündete sich die Zigarette an. Sie rauchte einige Züge. Dabei schaute sie auf ihren Mann, der seine Nervosität nicht mehr unterdrücken konnte. »Was ist dann passiert?«
»Nichts.«
»Aber du hast sie erkannt? Dabei bleibst du?«
»Ja. Sie haben mal hier gewohnt. Und sie dürften eigentlich nicht mehr leben.«
»Warum?«
»Weil sie bei der Rodung eines Waldstücks umgekommen sind. Gestorben, verunglückt, umgebracht, einfach tot!« sagte er mit greinender Stimme. »Aber sie sind nicht tot! Sie sind eben nur anders, das habe ich gesehen. Verändert. Sie sind, meine Güte, ich weiß es auch nicht so genau! Sie sind tot und leben trotzdem…«
»Zombies«, flüsterte Vicenca.
»So sagt man wohl.«
»O Gott, steh uns bei! – Zombies!« Sie schaute unwillkürlich auf die Glotze, denn sie und ihr Mann hatten sich hin und wieder Zombie-Streifen angesehen.
Das aber waren Filme gewesen. Die Wirklichkeit jedoch mußte anders sein. Da gab es keine Zombies. Aber in der Realität gab es auch keine Pflanzen, die sich durch Mauern bohrten und anfingen, ganze Häuser zu besetzen. So etwas gehörte ins Reich der Fabel, doch an diesem Tag waren sie eines Besseren belehrt worden.
Pepe hob die Schultern. »Ich weiß nicht mehr, was ich dazu sagen und was ich machen soll.«
Seine Frau dachte praktischer. »Könnte es nicht einen Zusammenhang zwischen den Pflanzen und diesen Wesen geben?«
»Das glaube ich auch. Aber welchen?«
Vicenca verzog die Lippen zu einem bitteren Lächeln. »Wir sollten sie fragen.«
»Machst du das?«
»Nein.«
»Ich auch nicht.«
Bisher hatte Ludmilla nur zugehört. Jetzt schaute sie auf, und sie bewegte sich dabei wie eine Person, die soeben aus einem tiefen Schlaf erwachte. »Ich verstehe das alles nicht«, sagte sie. »Wieso sind plötzlich andere da?«
»Es gab sie schon vorher.«
»Aha.«
»Sie sind bei der Rodung umgekommen, verunglückt«, sprach Pepe weiter. »Aber so genau weiß ich das nicht. Das alles will mir ja nicht in den Kopf.« Er schlug nach einer fetten Fliege, die dicht vor seinem Gesicht entiangsummte. Das Tier war schneller, wich aus und gesellte sich zu seinen Artgenossen, die sich ebenfalls im Zimmer versammelt hatten, wahrscheinlich angelockt durch die Pflanzen und die beiden Leichen.
Es war finster geworden. Die Dunkelheit stülpte sich wie ein großer Topf über das Haus und die Umgebung. Die verfluchte Müllkippe schickte weiterhin ihre säuerlichen Grüße in die schwüle Luft.
Schon immer hatten die Menschen hier von einer Hölle gesprochen, in der sie lebten. Nun aber hatte die Hölle noch einige Bewohner bekommen, die tatsächlich hineinpaßten.
»Ich habe Angst«, sagte Ludmilla.
Diese Worte waren nicht falsch gewesen, wie sie am Nicken der beiden anderen erkennen konnte. Auch sie fürchteten sich, und dieses Gefühl stand auch in ihren Augen wie festgeschrieben.
»Kann ich Licht machen?« fragte Pepe.
»Sicher.«
Er nickte seiner Frau zu, wollte aufstehen, als Ludmilla plötzlich etwas sagte. »Nein, warte noch.«
»Was ist denn?«
»Ein Geräusch«, flüsterte die Russin. »Ich habe ein schreckliches Geräusch gehört.«
»Hier?« fragte Vicenca und drückte die zweite Zigarette aus, bevor sie Ludmilla anschaute.
»Ja, hier. Hier im Raum. Ihr müßtet es doch auch gehört haben.«
Die drei schwiegen und warteten darauf, daß sich dieses seltsame Geräusch wiederholte.
Es passierte, und den dreien rannen kalte Schauer über die Körper, als sie das leise Schmatzen vernahmen, auch das Rascheln und ein geheimnisvoll klingendes Zischeln.
Sie bewegten ihre Köpfe und schauten dorthin, wo sie die Laute vernommen hatten. Sie waren an zwei verschiedenen Stellen aufgeklungen, und zwar dort, wo die Toten lagen.
Zu sehen war nichts.
Oder doch?
Bewegte sich da nicht etwas? Zuckten die Körper selbst, oder huschte etwas über sie hinweg? Hatte sich die schlechte Luft nicht verändert, weil ein anderer Geruch dominierend geworden war?
Alles war plötzlich anders geworden. Der Druck hatte stark zugenommen. Sie wußten genau, daß sich in ihrer Nähe Schreckliches abspielte, nur traute sich niemand, seinen Platz zu verlassen, um nachzuschauen. Bis auf Vicenca. Sie hatte sich in den letzten Stunden zu einer starken Persönlichkeit entwickelt. Ihr war es tatsächlich gelungen, über den eigenen Schatten zu springen, und auch jetzt war sie es, die aufstand und nachschauen wollte.
»Bitte«, flüsterte Pepe, »was hast du?«
»Ich werde es
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