0922 - Mein Trip ins Jenseits
begriffen!
***
Sie hatten auf ihn geschossen. Sie hatten es tatsächlich gewagt. O wie er sie dafür haßte.
Nathan war außer sich, als er den Kanal in seinem Rücken wußte und geduckt auf ein vor ihm liegendes Rapsfeld zuhetzte, das wie gelb angestrahlter Schnee leuchtete.
Er ging schnell, aber er bewegte sich dabei nicht so weiter wie ein Mensch. Sein Gang wirkte plump, und er kannte auch den Grund.
Er war aufgeregt.
Er war nervös.
Er wußte jetzt nicht, wie er reagieren sollte. Er überlegte, auf welcher Seite er nun stand. Auf der menschlichen oder auf einer anderen? Er war ja jemand, der pendeln konnte. Ihm war ein Tunnel überlassen worden. Er gehörte ihm allein, er trug die Verantwortung, und es hatte immer gut geklappt. Bis heute.
Nathan erreichte das Rapsfeld und verkroch sich darin. Er war nicht mehr zu sehen, er wollte Ruhe haben, um über alles nachdenken zu können. Die Probleme waren vorhanden, sie mußten nur noch gelöst werden. Seine Probleme bestanden aus drei Personen, die nicht lockerlassen würden. Sie würden es nicht zulassen, daß er einen Tunnel noch verstärkte, damit weitere Seelen aufgefangen werden konnten, um sie denen zu übermitteln, die darauf warteten.
Was kann ich ändern? Was muß ich ändern?
Es hatte sich einiges verändert. Nicht allein, daß man ihn jagte, er war dieser Klinik entronnen, was ihm nicht so recht gefiel. Denn in seiner Zelle hatte er sich unwahrscheinlich wohl gefühlt. Dort war man ihm nicht auf die Spur gekommen. Von dort aus hatte er seinen Geist wandern lassen, aber er gab auch zu, sich eine falsche Person ausgesucht zu haben. Diese Frau hätte er in Ruhe lassen sollen. So waren ihm die anderen durch sein eigenes Zutun auf die Schliche gekommen.
Aber - er lebte noch. Und er würde weitermachen. Die Kugeln hatten ihn nicht getroffen, sie hatten nur seinen Haß noch tiefer in ihn eingegraben. Das eigentliche Vorhaben mußte er zunächst zurückstellen, sondern mehr indirekt arbeiten. Er würde sich keine fremden Personen holen, sondern diejenigen, die er als seine Todfeinde ansah. Sie mußten ja etwas unternehmen. Sie würden ihn suchen, vielleicht auch finden, und das war seine Chance.
Ja, er würde nicht ausweichen.
Nathan erhob sich. Er schaute über den Raps hinweg in die Landschaft. Bis zum Einbruch der Dunkelheit würde noch genügend Zeit verstreichen, obwohl der graue Himmel die Welt schon dunkler gemacht hatte.
Verstecken konnte und durfte er sich nicht. Auch wenn er sie nicht mit den eigenen Augen sah, irgendwo mußte er schon in ihrer Nähe bleiben. So etwas war für ihn machbar.
Mit diesem Gedanken verließ er sein Versteck…
***
Wir hatten nicht sehr weit zu fahren brauchen und waren in einen kleinen Ort hineingerollt, den wir vom Namen her kannten. Es war auch möglich, daß wir ihn schon einmal durchfahren hatten, aber zumindest ich erinnerte mich nicht an ihn.
Zudem war er typisch englisch, ideal für Touristen. Da gab es die alten, nicht sehr hohen Häuser mit den Erkerfenstern, den hell gestrichenen Rahmen, den sauberen Scheiben und dem grünen Efeuschmuck an den Hauswänden.
Torbögen führten in kleine Gassen, die für den Verkehr gesperrt waren.
Dafür hatten die Wirte der Pubs und anderer Lokale Tische und Stühle nach draußen gestellt, um ihre Gäste dort bedienen zu können, und der Zulauf war sehr gut. Freie Plätze gab es kaum noch.
Das Leben lief in einer gewissen Ruhe ab. Hektik war hier ein Fremdwort.
Wir aber wollten nicht pausieren, sondern suchten nach einem Arzt. Einen Polizisten fragte ich schließlich, und der Constabler mit dem leichten Bierbauch und dem freundlichen Lächeln gab uns auch bereitwillig Auskunft.
Die Praxis befand sich in einer Nebenstraße. Da sie als Einbahnweg ausgewiesen war, konnten wir auf beiden Seiten in einer Richtung parken. Wir stellten den Rover vor der Praxis ab.
Sie befand sich im Erdgeschoß, und hinter den Fenstern brannte Licht. Über der Tür breitete sich ein Dach mit grünlich schimmernden Pfannen aus, und das Schild des Arztes war unübersehbar an der Hauswand neben der Tür befestigt.
»Ich brauche ja wohl nicht mit«, erklärte ich Jane.
»Nein, eigentlich nicht. Aber was ist der Grund?«
»Ich werde nachdenken?«
»Über deinen Tod?« fragte sie knallhart.
»Ja, so ähnlich.«
»Okay, bis dann.«
Auch Suko blieb zurück. Jane führte ihren Schützling auf die Tür zu, der seine Decke fest um den Körper gewickelt hatte.
»Hatte Jane recht gehabt?«
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