0924 - Der Herr der Nebelberge
hatte er augenscheinlich befohlen, die Zeichen vom Tor zu entfernen. Sie hatten gehorcht, selbst wenn es ihre Vernichtung bedeutet hatte.
Dann blieb Aktanur stehen und rief hinaus: »Bringt ihn her!« Im nächsten Augenblick schüttelte ein boshaftes Lachen seinen alten Körper.
Draußen schwoll ein Geräusch auf, als würden Hunderte von Katzen gleichzeitig schreien.
***
Rhett rappelte sich auf, schielte noch einmal zu dem qualmenden Häufchen Asche auf dem Boden und wandte sich dann der Stimme zu.
Professor Zamorra stand im Türrahmen und grinste.
»Das war echt voll knapp, Zamorra! Du hättest uns ruhig helfen können.« Rhett befestigte den Blaster an der Metallplatte am Gürtel.
»Ihr habt es doch auch ohne mich geschafft!«
»Und wo ist jetzt Anka?«, fragte Dylan.
Zamorra machte zwei Schritte nach vorne und sah sich um. Er fragte sich, wie ein so großer Saal Platz zwischen all den Räumen hinter den anderen Türen haben konnte.
Blickfang war sicherlich das Schöpferauge. Der blau schimmernde Kristall hatte einen Durchmesser von gut neun Metern und reichte vom Boden bis zur Decke. Auch hier gab es keine Fenster und lediglich das Licht des Kristalls erhellte den Saal. Vermutlich war es mit seiner Schöpferkraft auch für die spärliche Beleuchtung des Archivraums und der Eingangshalle im Erdgeschoss verantwortlich.
Vor dem Schöpferauge kreiste eine an ein Rhönrad erinnernde Konstruktion aus silbern glänzenden Stäben, in die ein alter Mann mit ausgebreiteten Armen und Beinen gespannt war. Unwillkürlich musste Zamorra an da Vincis Darstellung des vitruvianischen Menschen denken. Bei dem Alten musste es sich um Paol, den Obersten der Treppenmeister, handeln. Er war nackt, doch sein schlohweißes Haar und sein ebenso weißer Bart waren so lang, dass sie einen Großteil des Körpers bedeckten. Auch die Fingernägel waren außerordentlich lang und hingen wie schlaffe Korkenzieher zu Boden.
»Krass!«, hauchte Rhett.
Paols Augen leuchteten in dem gleichen Blau wie der Schöpferkristall. Aus ihnen drangen Strahlen reiner Para-Energie, die nach oben stiegen, sich vereinten und über dem rotierenden Rhönrad wie das Band einer Turnerin bei der rhythmischen Sportgymnastik wirbelten. Von dort führte der Energiestrang wie eine skurrile Nabelschnur in den Kristall.
Auf den Boden war neben das Rad ein magisches Symbol gemalt - Zamorra hätte schwören können, dass es sich bei der verwendeten Farbe um Blut handelte -, in dem ein Mensch stand. Oder besser gesagt das, was davon übrig war. Er sah aus wie ein mit Haut bespanntes Skelett und man konnte nicht einmal mehr sagen, ob es sich dabei um einen Mann oder eine Frau handelte.
Auch aus ihm drang ein Strahl, allerdings nicht aus den Augen, sondern aus dem Solarplexus.
Das ist kein Strahl! Das ist sein Leben.
Richtig, das Leben eines unschuldigen Opfers. Es wurde vom Gestänge des Rhönrads aufgefangen und an Paol weitergeleitet. Das war der Zauber, mit dem Krychnak den Obersten am Sterben hinderte. Wie Aktanur sich daran bedienen und dadurch selbst eine perverse Art der Unsterblichkeit erreichen konnte, war für Zamorra nicht ersichtlich, letztlich aber auch völlig gleichgültig.
Das faltige Männlein, das Rhett und Dylan vernichtet hatten, war sicherlich so etwas wie der Tankwart in dieser bizarren Tankstelle gewesen. Eine Servicekraft der besonderen Art: die Opfer in Empfang nehmen, den verbrauchten Lebensspender gegen einen frischen austauschen und vermutlich irgendwie entsorgen. Doch wo waren die Gefangenen, die die Globber brachten?
Die Globber!
Ein Schauder überlief Zamorra. Gerade vorhin hatte eines dieser watschelnden Wesen noch ein Opfer angeliefert. Daran hatte der Professor überhaupt nicht mehr gedacht. Musste es sich demnach nicht noch in der Festung aufhalten? Warum hatten sie es nicht gesehen?
Wie schon zuvor Dylan wurde nun auch Zamorra von diesem Gedanken abgelenkt.
»Seht euch das mal an, Leute! Hat meine Optik einen Wackelkontakt, oder was ist da los?«
Der Professor blickte in die gleiche Richtung wie Dylan - und sah absolut nichts außer der 15 Meter entfernten Wand des Saals.
»Was soll da sein?«
»Schau genauer hin und beweg den Kopf!«
Zamorra tat es. Da fiel auch ihm es auf. Mit jeder Kopfbewegung schienen in der Wand Schemen hin und her zu hüpfen.
»Das sind breite Säulen, fast schon Paravents aus Stein!«, sagte er schließlich. »Sie sehen aus wie die Wand, sodass man sie kaum erkennen kann!«
»Dahinter
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