0924 - Der Herr der Nebelberge
und warf ihn zur Seite.
Das Leben kehrte in Ankas Augen zurück. Ihr Blick irrte noch wenige Momente umher, dann erfasste er den Erbfolger . »Rhett?«
Ein befreites Lachen entrang sich Rhetts Kehle.
»Gott sei Dank! Ich hab mir echt voll die Sorgen um dich gemacht!«
Anka lächelte, doch es war ein bitteres Lächeln. »Es tut mir so leid, was passiert ist!«
»Schwamm drüber! Lass uns später darüber reden. Jetzt bringen wir dich erst einmal wieder ins Château, da macht dir William einen schönen heißen Kakao. Da kannst du mir dann alles erzählen. Zamorra ist auch hier. Das ist ein total komisches Land, das kann ich dir flüstern. Nhoi hat uns hergeführt, weißt du? Ohne ihn hätten wir dich gar nicht gefunden. Auf diesen blöden Treppen hätten wir uns nie und nimmer zurechtgefunden.« Er lachte auf. »Selbst mit einem Navi wärst du da voll aufgeschmissen. Weißt du, da zweigen zum Beispiel so ein paar Stufen nach rechts ab und trotzdem gehst du nach links! Das kann man gar nicht richtig erklären. Das muss man gesehen haben. Für empfindliche Mägen ist das echt nichts. Eigentlich müssten die am Zugang zu den schnellen Stufen Kotztüten verteilen. Und dann diese Fänger mit den Tentakeln aus dem Bauch. Voll widerlich, die Typen, echt! Jetzt sag doch auch mal was!«
»Ich liebe dich.«
Rhetts Geplapper brach ab. Bevor er wieder loslegen konnte, verschluss Anka seinen Mund mit einem Kuss.
»Ah, ja, danke«, stammelte er, als sich ihre Lippen voneinander lösten. Seine Wangen glühten.
»Gern geschehen.« Die Andeutung eines Grinsens flog über ihr Gesicht, doch sofort wurde sie wieder ernst. »Hör zu, ich muss dir erklären, was da vor dem Château passiert ist!«
»Das hat doch Zeit.«
»Nein, hat es nicht. Was ich versucht habe, dir anzutun, war nicht ich. Also eigentlich schon, aber… Ach, es ist so verdammt schwierig! Aber wichtig ist, dass es jederzeit wieder passieren kann, solange ich außerhalb der M-Abwehr bin.« Sie atmete tief durch. »Die Sache ist die: Krychnak hat mich benutzt, um…«
Die Schreie Tausender von Katzen übertönten ihre weiteren Worte. Als sie schließlich verstummten, war auch Anka verstummt. Und so musste Rhett noch länger warten, bis er die Hintergründe begriff.
Viel länger!
***
Im Türrahmen stand Aktanur. Hinter ihm drängte sich eine Horde von Dämonen im Archivraum, eine wimmelnde Masse grotesker Gestalten.
Doch sie waren es nicht, die Zamorra den Atem raubten.
Diese Ehre hatte Aktanur. Das spärliche eisgraue Haar, das von Altersflecken überzogene faltige Gesicht - all das kannte Zamorra! Nun wusste er auch, warum ihm der junge Aktanur in den Aufzeichnungen des Archivsterns so bekannt vorgekommen war.
Er hatte diesen Mann erst vor drei Monaten gesehen - oder vor fast 2000 Jahren. Je nachdem, wie man es betrachtete. Zamorra war ihm bei einer unfreiwilligen Zeitreise ins Jahr 159 n. Chr. begegnet, wo der Alte versucht hatte, ihn zu töten!
Aktanur war niemand anderes als Logan, der Erbfolger um die Zeitenwende, Rhetts Ururururururgroßvater. Vielleicht war es auch ein Ur mehr oder weniger.
Aber das war unmöglich!
An Logans Leben konnte Rhett sich nahezu vollständig erinnern. Sie hatten in der letzten Zeit häufiger darüber gesprochen. Über das Leid und das Elend, das Logan hatte durchmachen müssen. Und eines war sicher: Er war zeit seines Lebens kein Dämonengünstling gewesen!
Aber vielleicht war er nicht gestorben? Vielleicht hatte er nach dem Übergang der Erbfolgerseele auf seinen Sohn überlebt. Seelenlos und eine leichte Beute für die Einflüsterungen von Dämonen wie Krychnak.
Nein, Blödsinn. Erstens war Krychnak viel früher aus Logans Leben verschwunden, weil er ein Opfer Agamars geworden war, und zweitens hatte Zamorra in der Aufzeichnung gesehen, dass Aktanur schon als Kind in Isilria war.
Das bedeutete, der Alte im Türrahmen konnte nicht Logan sein!
Und doch glich er ihm wie ein Ei dem anderen.
So schnell, wie Zamorra diese Gedanken durch den Kopf schossen, verdrängte er sie wieder, denn es gab wichtigere Fragen zu beantworten. Eine davon lautete: Wie zum Teufel sollen wir hier rauskommen?
Gegen die Unmenge von Dämonen hatten sie nicht den Hauch einer Chance, selbst wenn es ihnen gelingen sollte, Aktanur zu töten.
Da erklang wieder das Krächzen neben ihm.
»Erlöse - mich - beende - die Verdunklung.«
Wie von selbst glitt seine Hand zum Blaster. Blieb ihm wirklich keine andere Wahl?
»Das würde ich nicht tun.«
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