Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

0924 - Lockruf der Psychode

Titel: 0924 - Lockruf der Psychode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
schob sich durch einen schmalen Gang, dessen Wände fluoreszierend leuchteten. Die Leute wurden zu flächigen Schemen ohne Plastizität. Das machte es leichter, sich auf das Wesentliche vorzubereiten.
    Der Eintritt war frei. Aber mehr noch, es gab nicht einmal Aufsichtspersonen, die einem eine Besucherordnung oder einen Katalog aufdrängten, weder am Eingang noch dahinter, in den Ausstellungsräumen. Die Kunstfreunde, und solche, die es werden wollten, waren ganz unter sich... Roctin-Par korrigierte sich: Sie waren allein mit den Psychoden.
    In den Raum, in den er zuerst kam, drängten sich schätzungsweise fünfzig Personen, Laren, Menschen und Vincraner, aber sie waren einander nicht im Wege. Der Boden fiel zur Mitte trichterförmig ab, so daß man von jedem Standort das Psychod sehen konnte, das dort stand.
    Es war eine Skulptur, die Roctin-Par als völlig abstrakt einstufte. Für ihn war es ein Klumpen irgendeines Materials, den der unbekannte Meister in erkaltendem oder härtendem Zustand gewalkt und geknetet hatte, bis der Härtungsprozeß abgeschlossen war. Somit war das Psychod für Roctin-Par letztendlich nur ein Produkt des Zufalls, denn hätte der „Künstler" eine Minute länger Zeit zum Walken und Kneten gehabt, dann wäre etwas ganz anderes dabei herausgekommen.
    Roctin-Par blieb nur wenige Augenblicke und zog sich dann in den nächsten Saal zurück. Sein einziger Eindruck war der, daß ihm die Anwesenheit der vielen Leute gar nicht deutlich bewußt geworden war. Er hatte tatsächlich das Gefühl gehabt, mit dem Ausstellungsstück allein zu sein. Es hatte zugegebenermaßen etwas Dominierendes an sich gehabt. Aber das, fand der Lare, war zu wenig für ein Kunstwerk, das den Anspruch auf Einmaligkeit stellte.
    Im nächsten Saal gab es ebenfalls keine Beleuchtung, und die vielen Besucher nahmen sich vor den fluoreszierenden Wänden wie Scherenschnitte aus. Hoch über ihren schattenhaften Köpfen hing ein fünfeckiges Bild ohne Rahmen.
    Wieso fünfeckig? fragte sich Roctin-Par. Er blickte sich nach irgend jemandem um, mit dem er über das Gemälde hätte diskutieren können. Aber da waren nur Schatten.
    Roctin-Par wandte sich wieder der fünfeckigen Farbfläche zu. Es war ein Relief mit verblüffender Plastizität.
    Es hatte Tiefe, und er konnte die verschiedenen übereinanderliegenden Farbschichten unterscheiden. Zuoberst war humusschwarz, die Farbe von Walderde. Dahinter lag schiefergrau, die Gesteinsfarbe, und noch tiefer, an der dritten oder vierten Schicht brodelte es ölig unter der Hitze der feurigroten Zentrumsschichten, die heller wurden, je weiter man zum glühenden Kern des Bildes vordrang ...
    Roctin-Par verspürte plötzlich Panik in sich aufkommen, als er das Gefühl hatte, in das Bild - in den glühenden Kern eines Planeten! - hineinzustürzen. Er riß sich gewaltsam los und atmete erleichtert auf, als er sich in dem indirekt beleuchteten Ausstellungssaal wiederfand. Scherenschnitte um ihn und sakrale Stille. Und das fünfeckige Bild an der Wand. Humusschwarz.
    Er floh in den Saal. Er wollte sich in einen ruhigen Winkel zurückziehen und sich von dem Schock erholen, den ihm der Vorstoß in die Tiefe verursacht hatte. Vorstoß in die Tiefe - so hätte er das Gemälde betitelt.
    Der erste Eindruck verblaßte, aber schon strömten neue Eindrücke auf ihn ein. Wieder ein Saal mit einem Psychod. Es war eine Skulptur, die vom Boden bis zur Decke reichte, und man betrachtete sie von einem erhöhten Rundgang.
    Roctin-Par wollte sofort wieder umkehren, aber die nachdrängenden Besucher trieben ihn vorwärts, so daß er den halben Steg abschreiten mußte, um zum Ausgang zu gelangen. Und dabei hatte er Muße genug, das Psychod eingehend zu betrachten.
    Irgendwie erinnerte es ihn an eine Pyramide aus humanoiden Wesen. Seltsamerweise stand jedoch der unterste Humanoide aufrecht, während sich die höherstehenden zur Pyramidenspitze hin immer mehr krümmten, als hätten sie die Last der unteren zu tragen. Paradoxe Gravitation! Konnte das der Titel sein?
    Nein, Roctin-Par schüttelte den Kopf. Im ersten Augenblick hatte er die Aussage des Psychods fehlinterpretiert. Aber je länger er es betrachtete, desto deutlicher wurde seine Botschaft. Das Psychod hatte ihm tatsächlich etwas zu sagen. Es war eine Geistespyramide! Der Geist vermochte die Umkehrung der Gesetze herbeizuführen, paramentale Kräfte hoben alles auf.
    Für einen endlos scheinenden Augenblick sah sich Roctin-Par als Teil der Pyramide. Sein

Weitere Kostenlose Bücher