0925 - Geburt eines Dämons
Diane mit ihnen weggegangen war, schienen sie zu fehlen. Das bereitete ihm ein wenig Sorge, denn nun konnte er sie nicht unter Kontrolle behalten. Sobald er sich leichter fühlte, würde er sich darum kümmern müssen. Vanessas Begleiter auf jeden Fall schien deren Abwesenheit nicht zu stören. Er sah ihn mit anderen Personen zusammen stehen und laut lachen.
Zamorra betrat die Toilette, die von der Größe her auch als geräumiges Badezimmer durchgegangen wäre. Farbige Mosaike zierten die weiß gekachelten Wände. Sie zeigten Szenen aus der Odyssee.
Der Professor seufzte erleichtert und wusch sich danach die Hände. Als er den Oberkörper wieder aufrichtete, sich mit dem Handtuch die Hände abtrocknete und sich gleichzeitig in dem großen, mit Goldziselierungen umrahmten Spiegel betrachtete, zuckte er zusammen.
An der gegenüberliegenden Wand war die Szene eingelassen, in der Odysseus den einäugigen Zyklopen Polyphem blendete. Polyphems verzerrtes Gesicht mit dem glühenden Pfahl im Auge verwandelte sich übergangslos in eine dämonische Fratze! Über seine linke Schulter starrte sie ihn an.
Böse.
Bedrohlich.
Gleichzeitig sah Zamorra dort, wo Odysseus triumphierend stand, eine Art schwarze Mumie. Grellrote Augen leuchteten aus ihrem verschrumpelten Gesicht. Sie hob sie den Speer, den sie in der Hand hielt, und richtete ihn auf den Rücken des Professors.
Zamorra keuchte, ließ sich in die Knie sinken und hechtete gleichzeitig seitlich weg. Unsanft kam er auf den Kacheln auf. Blitzschnell drehte er sich um…
***
Eamonna Falcon bewegte sich völlig frei zwischen den Gästen. Noch immer fühlte sich diese neue Art der Existenz fremd an. Doch sie gewöhnte sich immer besser daran und begann bereits, ihren Spaß zu haben. Ein unbestreitbarer Vorteil war, dass sie nun so gut wie alles mitbekam, ohne selbst erkannt zu werden.
Lavinia und Vanessa gedachten also, die Situation auszunutzen und den Hexenblitz auf Diane zu schleudern.
Wenn ihr das schafft, ohne dass ich dabei war, kann ich mir die Position der Oberhexe abschminken. Aber ihr habt die Rechnung ohne mich gemacht, meine Lieben. Glaubt bloß nicht, dass ich das zulassen werde! Stygia scheint ja nichts dagegen zu haben, dass die eine oder andere Hexe aus Feurs über die Loire geht. Wenn ihr schon die Tara Maga egal war, dürften ihr Lavinia und Vanessa auch nichts ausmachen. Vor allem, wenn dabei einer ihrer größten Feinde drauf geht…
Eamonna kicherte leise.
Was für ein Glück ich doch gehabt habe. In dieser neuen Existenzform bin ich unbezwingbar. Niemand kann mich aufhalten, weil niemand mich erkennen kann. Schön, wenn man sich alles in Ruhe anschauen und dann seine Pläne schmieden kann. Vanessa und Lavinia, meine bedauernswerten Hexenschwestern! Ihr seid bereits tot und wisst es nur noch nicht. Also, dann wollen wir mal…
Die Bretonenhexe stieg in die Verliese und bewegte sich dort in absoluter Finsternis. Sie brauchte kein Licht, denn sie fand ihren Weg auch so. Spielend leicht. In einer der hintersten Zellen nahm sie einen losen Stein aus dem Boden. Im Hohlraum darunter lag das Hexendiadem. Diane hatte es hier versteckt, denn die direkte Nähe des starken magischen Relikts war ihr unheimlich. Noch bekam Diane die grauenhaften Visionen, die jedes magische Wesen in der Nähe des Hexendiadems plagten, nicht vollständig in den Griff. Deswegen kam sie jeden Tag hier herunter, um sich durch geistigen Kontakt immer besser in das Diadem einzufühlen und es irgendwann komplett zu beherrschen.
Eamonna wusste das seit heute Morgen. Sie wusste auch, dass Diane noch eine ganze Weile brauchen würde, um sich an das Diadem zu gewöhnen. Eamonna hingegen hatte in ihrer neuen Existenz keinerlei Probleme mit dem Diadem, denn sie schaffte es spielend, die Visionen einfach zu ignorieren.
Neue Informationen flossen ihr zu. Was war das? Diane brachte bei ihrem Ablenkungsmanöver Zamorra doch tatsächlich in tödliche Gefahr!
Das darf sie nicht! Der Dämonenkiller gehört mir. Ich werde ihn töten, niemand sonst. Da muss ich doch ganz schnell mal eingreifen…
Eamonna machte sich auf den Weg.
***
Zamorra erwartete, den Speer neben sich auf die Kacheln prallen zu sehen. Doch hinter ihm war - nichts. Er entspannte sich wieder und kam geschmeidig auf die Beine. Für einen winzigen Augenblick glaubte er einen Schatten über die Wand huschen zu sehen. Misstrauisch trat er vor das Wandmosaik und betastete Polyphems Gesicht. Nichts. Auch an Odysseus' Figur
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