0926 - Mörderische Lockung
Rattengesicht spuckte durch ein Gitterloch in die Tiefe, ohne Beth allerdings zu treffen. Dann drehte sich der Mann um und verschwand.
Wütend knallte er die Tür hinter sich zu und schaltete von außen das Licht aus.
Dunkelheit senkte sich über das Verlies. Nicht mal das Schimmern der Eisenstäbe über dem Kopf der Gefangenen war zu sehen. Die Finsternis fraß alles.
Beth Calvaro blieb nur noch wenige Sekunden an ihrem Platz stehen.
Auch in der Dunkelheit bewegte sie sich sicher voran und stoppte dort, wo sie auch anhalten wollte.
Es war ungefähr dort, wo sie auch die Mahlzeit zu sich genommen hatte.
Beth stemmte die Hände in die Hüften. Noch einmal dachte sie an die vergangenen Tage zurück, und noch einmal stellte sie sich vor, welch ein Kuckucksei sich dieser Don ins Nest gelegt hatte.
Sie würde ihm den ersten Ärger bereiten. Sie würde ihn ablenken, und irgendwann, so hoffte sie, würde auch Jane Collins erscheinen. Der Anfang jedenfalls war gemacht worden.
Beth sank zuerst in die Knie. Sie bewegte sich langsam und ließ sich auf den Steinen nieder.
Dann drückte sie den Körper nach vorn und winkelte dabei die Beine an.
Die Ellenbogen stemmte sie auf die Knie, während sie die Hände rechts und links gegen die Wangen drückte.
Es war genau die Haltung, die sie brauchte, um sich konzentrieren zu können.
Sehr stark sogar.
Nicht grundlos verfügte sie über Kräfte, von denen andere nur träumen konnten. Aber sie waren spezialisiert und eigentlich nur auf Menschen ausgerichtet. Im positiven und im negativen Sinne. Leider war es ihr nicht möglich, dank der Hexenkräfte das Gitter über ihrem Kopf zu verbiegen und ins Freie zu gelangen.
Aber sie würde Hilfe erhalten.
Bald schon…
Beth Calvaro verfiel in eine tiefe Trance. Wer sie jetzt beobachtet hätte, der hätte meinen können, eine Tote vor sich zu haben.
Dem war nicht so.
Es gab eine Veränderung, denn bei Beth Calvaro bewegten sich die Haare, obwohl es völlig windstill war.
Wie sanfte Fäden stellten sie sich langsam in die Höhe…
***
Jane war nicht zu mir ins Büro gefahren, ich war auch nicht zu ihr gekommen, wir beide hatten uns auf halber Strecke in einem hübschen Gartenlokal getroffen, saßen unter Bäumen auf Holzstühlen und freuten uns darüber, daß die Strahlen der Sonne durch das dichte Blattwerk zum großen Teil gefiltert wurden.
Hier ließ es sich auch deshalb gut aushalten, weil ein leichter Wind vom Fluß herüberwehte. Er war auch nicht stickig, denn er drückte aus östlicher Richtung.
Wir hatten uns beide ein Weizenbier bestellt und genußvoll aus den geschwungenen Gläsern getrunken. Das gehörte einfach zu dieser Umgebung, einem Biergarten mit bayrischem Touch. Servietten, Tischdecken, Fahnen, alles war blauweiß.
Ich hatte mir angehört, was Jane zu erzählen gehabt hatte und hatte auch das Bild der Frau gesehen.
Jetzt war ich an der Reihe, einen Kommentar abzugeben, und ich fragte Jane: »Kennst du die Frau wirklich nicht?«
»Nein.«
»Du weißt auch nicht ihren Namen?«
»Auch nicht.«
»Aber du willst nach Spanien.«
»Ja, und zwar nach Torres del Mar. Das liegt in der Nähe von Malaga. Muß ein Ort direkt am Meer sein, ich habe mal auf der Karte nachgeschaut. Diese Frau befindet sich in großen Schwierigkeiten und hat sich an mich gewandt, damit ich ihr helfe.«
Wind wühlte durch meine Haare. Ich strich sie wieder zurück und runzelte die Stirn. »Eine ehemalige Klientin von dir ist sie dann wohl auch nicht -oder?«
»Ist sie nicht.«
Bevor ich sprach, verzog ich meine Mundwinkel. »Dann könnte sie durchaus zur anderen Seite gehören, Jane, wobei du mich jetzt nicht falsch verstehen darfst.«
»Klar.«
»Und was denkst du?«
»Eine Hexe…«
»Sehr gut.«
»Und weiter?«
Ich trank erst mal einen Schluck Bier. »Wenn sie tatsächlich eine Hexe ist, dann hat sie sich deshalb an dich erinnert, weil du auch einmal dazugehört hast.«
Jane Collins senkte den Blick. »Ja, das kann stimmen, auch wenn ich daran nicht gern erinnert werde. Es muß etwas in meiner Vergangenheit passiert sein, an das ich mich nicht mehr erinnere.« Sie fuchtelte mit ihrer Hand vor der Stirn herum. »Ich habe es vergessen, aber die andere Seite eben nicht.«
»Hm…« Ich überlegte und wippte mit dem Stuhl. »Möchtest du denn daran erinnert werden, Jane?«
Aus leicht verengten Augen schaute sie mich an. »Meinst du, daß ich die Sache vergessen soll?«
Ich hob die Schultern. »Es ist zumindest eine
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