0926 - Preis der Macht
besann er sich der Aufgabe, die ihn hierher gebracht hatte. Langsam legte er Messer und Gabel aus der Hand.
»Beweg dich nicht um einen einzigen Millimeter, sonst steche ich zu.«
Die Stimme erklang direkt hinter ihm. Starless stieß einen stummen Fluch aus. Er hatte sich ablenken lassen, nur für wenige Momente, doch die hatten ausgereicht. Die Stimme gehörte einer Frau, die sich unbemerkt in den Raum geschlichen hatte.
»Dreh dich langsam um, ganz langsam. Und keine falsche oder hektische Bewegung, hörst du?«
Starless tat wie ihm geheißen. Vor sich sah er eine schöne Frau, deren wilder Haarschopf reichlich wild erschien. In ihrer rechten Hand hielt sie einen Dolch, dessen Spitze direkt auf Starless' Herz zielte. Die dunklen Augen der Frau zeigten eine wilde Entschlossenheit. Sie würde zustechen, keine Frage. Also verhielt sich Starless äußerst vorsichtig. Selbst ein Versuch, sich zu entmaterialisieren, wäre nicht schnell genug vonstatten gegangen, um der Frau nicht doch noch die Chance zu geben, einen raschen Stoß anzubringen.
»Wer bist du? Was willst du hier? Ich habe dich noch nie gesehen, also gehörst du sicher nicht zu no tears oder dem Zamorra-Team. Also los, rede.« Sie fuchtelte mit dem Dolch durch die Luft. Starless bewegte sich nicht.
»Sei vorsichtig mit der Klinge. Beantworte mir nur eine Frage - wie heißt der blonde Mann, der vor einiger Zeit in dieses Haus gebracht wurde?«
Die Frau stutzte, dann senkte sie plötzlich den Dolch.
»Du… bist ein Vampir, nicht wahr?« Starless antwortete nicht, denn das war keine Frage, sondern eine Feststellung gewesen. »Hat Sinje-Li dich zu mir geschickt?«
Starless verstand plötzlich. Sinje-Li hatte ihm von einer Informantin berichtet, die für die Raubvampirin arbeitete. Das musste diese Frau sein. Er ging auf das Spiel ein.
»Ja, das hat sie. Sie konnte selbst nicht hier erscheinen, also bin ich an ihrer Stelle gekommen. Wir müssen dringend wissen, um wen es sich bei diesem Mann handelt. Und wo er sich jetzt befindet. Rede schnell, es eilt.«
Die Frau, deren Namen Starless nicht kannte, starrte den Vampir an. Dann blickte sie auf den Teller, der nach wie vor auf dem Tisch stand. Dann schüttelte sie den Kopf.
»Nein, du bist doch kein Vampir. Ich habe gesehen, wie du das Fleisch gegessen hast. Das geht nicht - du bist ein Betrüger. Verschwinde, sonst steche ich zu. Besser noch, ich rufe die Polizei.« Sie blickte sich zur Tür hin um. Anscheinend wägte sie ihre Chancen ab, aus dem Raum zu fliehen und den Eindringling hier einzusperren. Starless verfluchte die Tatsache, dass er der Lust auf das Fleisch nachgegeben hatte. Jetzt musste er handeln. Er machte einen schnellen Schritt auf die Frau zu, wollte ihr den Dolch aus der Hand schlagen, doch die reagierte instinktiv.
Sie stach unkontrolliert zu.
Starless spürte den brennenden Schmerz in seiner rechten Hand. Er schrie auf und ging für Sekunden in die Knie. Dieser Schmerz… einem wahren Vampir hätte diese Wunde absolut nichts ausgemacht…
Er versuchte das Blut zu stoppen, das aus seinem Handrücken strömte. Dann schloss er kurz die Augen, um sich zu konzentrieren. Er musste den selbstheilenden Vampirkräften in sich nur eine Chance geben. Sie gehorchten ihm, doch ohne sein Dazutun funktionierten sie nicht so, wie sie es bei anderen Vampiren taten.
Andere Vampire… er war nicht wie der Rest seiner Brüder und Schwestern.
So viele Jahre hatte er die Erinnerung daran verdrängen können, hatte beinahe vergessen, was sein ewiger Makel und wie dieser zu ihm gekommen war. Doch jetzt, in den Sekunden des Schmerzes, hörte er wieder die Stimme.
»Wehr dich nicht, Blutsauger, wehr dich doch nicht. Ich will dir nur helfen. Du sollst nicht auf ewig ein gottloses Geschöpf der Hölle bleiben… lass es geschehen, gehe nicht dagegen an.« Dann waren die entsetzlichen Qualen gekommen und hatten ihn grausam sterben lassen. Immer wieder aufs Neue - denn immer wieder war er in das Leben zurückgekommen - und immer wieder hatte alles neu begonnen… wehr dich doch nicht…
Starless spürte die bitteren Tränen, die aus seinen Augen perlten. Es waren keine Tränen des jetzigen Schmerzes, denn der war schon beinahe vergangen, es waren die Tränen der Erinnerung.
Er riss sich zusammen. Die Wunde begann sich bereits zu schließen. Durch den Tränenschleier hindurch sah er die Frau, die den Dolch über ihren Kopf erhoben hatte, bereit, um erneut zuzustechen.
Starless handelte instinktiv. Er
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