0927 - Monster-Zoo
Nachricht zu lesen. Halblaut sprach sie den Satz vor sich hin.
»Ich erwarte dich heute abend um zwanzig Uhr am Vogelgehege im Londoner Zoo…«
Nicht weniger, nicht mehr. Das war alles. Sie ließ den rechten Arm sinken, Der Zettel klebte noch zwischen ihren Fingern, und Sarah konnte die vielen Gedanken, die ihr durch den Kopf schossen gar nicht so schnell ordnen.
Nur eines kristallisierte sich hervor: das Wort Zoo!
Sie ließ sich auf einem Stuhl nieder und schaute ins Leere. Dann dachte sie daran, wie diese verfluchte Person mit den Hunden umgegangen war. Ebenso konnte sie es vielleicht auch schaffen, mit anderen Tieren umzugehen, sie zu beeinflussen und unter ihre Kontrolle zu bekommen. Im Zoo würde etwas passieren, da würde sie ihre Rache auskosten. Die drei Vögel hatten den Anfang gemacht, und jetzt sollte Lady Sarah abermals zu einem Vogelgehege kommen.
Was steckte dahinter? Wollte sie die Vögel auf Sarah Goldwyn hetzen, um so ihre Rache zu beginnen, die eigentlich der Detektivin Jane Collins galt? Die aber war für sie im Moment unerreichbar.
Also hielt sie sich an eine Person, die Jane nahestand.
Hingehen oder im Haus bleiben?
Sie würde gehen, sie mußte einfach gehen. Auch Flucht hatte keinen Sinn. Diese Person würde sie überall finden, da kannte sich Lady Sarah schon aus.
Also würde sie den Schritt wagen, der sie nahe an ihr Grab brachte.
Aber nicht allein.
John Sinclair war in Spanien. Bevor sie ihm und Jane Bescheid gab, wollte sie mit einem anderen Menschen telefonieren. Es war jemand, der sie bestimmt nicht im Stich lassen würde. Sie holte sich das tragbare Telefon, nahm wieder auf dem Stuhl Platz und tippte eine Nummer ein, die sie heute schon einmal gewählt hatte.
Die von Scotland Yard und damit auch die direkte Verbindung zu Sukos Büro…
***
Suko hatte den Rover genommen und seinem Chef, Sir James, erklärt, daß er nicht genau wußte, wann er zurückkehren würde. Lady Sarah schien größere Probleme zu haben.
»Sorgen Sie dafür, daß sie aus der Welt geschafft werden. Sie haben freie Hand«, hatte Sir James zum Abschied gesagt.
Die Fahrt durch die verstopften Straßen war kein Vergnügen gewesen, und Suko atmete auf, als er in der Nähe von Sarahs Grundstück einen Parkplatz fand. Unter den mächtigen Astwerk der Laubbäume, die einen wunderbaren Schatten spendeten.
Suko stieg aus, schloß den Wagen ab und sah sofort, daß Sarah schon auf ihn gewartet hatte, denn hinter dem Küchenfenster zeichnete sich ihre Gestalt ab.
Suko winkte ihr zu und lief durch den Vorgarten auf die Haustür zu, die schon geöffnet wurde, bevor er sie noch erreicht hatte. Er sah Sarah Goldwyn vor sich stehen, die einen erleichterten Eindruck machte und ihm dann sogar in die Arme fiel.
»He, was ist denn los?«
»Du kannst dir nicht vorstellen, was ich durchgemacht habe, Suko. Nein, das kannst du nicht.«
Das Lächeln auf dem Gesicht des Inspektors zerbrach. Er drückte Sarah ins Haus und schloß die Tür. »So, jetzt rede mal deutlich, damit ich weiß, was los ist.«
»Komm ins Wohnzimmer. Ich habe für uns einen Tee zubereitet.«
Suko freute sich. »Das ist toll. Du weißt genau, womit du mich locken kannst.«
Sarah hob die Schultern. Sie konnte nicht mal lächeln. Den Schock ihres Erlebnisses hatte sie noch nicht verdaut, und sie wußte auch nicht, ob sie normal darüber reden konnte. Eines allerdings stand für sie fest: Suko würde ihr bestimmt glauben und sie keinesfalls für eine Spinnerin halten.
Sie nahm am runden Tisch im Wohnraum Platz. Der Tee dampfte in den Tassen. Es war warm, aber es ließ sich durchaus aushalten, da das alte Haus dicke Mauern hatte und somit Extremtemperaturen die Spitzen nahm.
»Ich weiß nicht so recht, wie ich anfangen soll«, sagte Sarah leise. »Es ist noch alles so frisch in meiner Erinnerung vorhanden und zugleich auch furchtbar. Du darfst mich auch nicht für eine Spinnerin halten, Suko, denn was ich dir jetzt erzähle, ist genauso passiert. Man will nicht mich damit treffen, doch es geht eigentlich um Jane Collins.«
»So etwas hast du am Telefon angedeutet.«
Lady Sarah lächelte dünn. »Also gut.« Sie trank einen Schluck Tee. Als sie die Tasse wieder abgestellt hatte, drückte sie beide Hände gegen die Stirn, um schließlich mit den drei Saatkrähen zu beginnen.
Suko hörte zu und schwieg auch, als die Horror-Oma zwischendurch an ihrem Tee nippte. Da war er anders als sein Freund John Sinclair. Er zeigte die größte Geduld, hob aber die
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