093 - Neun Leben
kümmern.
Beißender Gestank schlug ihm entgegen. Er schluckte eine plötzlich aufsteigende Übelkeit herunter und hustete.
»Ist nicht immer so schlimm«, sagte der Soldat, während er die Tür zum Zellentrakt aufschloss. »Der Abschaum hat nur wieder die Eimer umgeworfen. Die wollen nun mal im Dreck leben.«
Johaan nickte und schob sich an ihm vorbei in den Gang. Die Gefangenen waren merkwürdig still, als er an ihnen vorbei auf die einzig offene Zellentür zuging. Der dicke und wie immer betrunkene Kerkermeister Claas stand mit gesenktem Kopf davor und hielt einige Ketten in der Hand.
»Er ist da drin«, sagte der Soldat überflüssigerweise.
Johaans Herzschlag dröhnte in seinen Ohren. Er beruhigte seinen Atem und glättete seine Robe, dann wandte er sich der Zelle zu.
Drei Menschen standen darin, eine äußerst hübsche junge Frau, ein muskulöser, kantig aussehender Mann und…
Johaan hatte den König nur ein einziges Mal gesehen, aber er erkannte ihn sofort wieder. Tief verneigte er sich, verzichtete jedoch auf den Kniefall, so wie es seiner Stellung zustand.
»Mein König«, sagte er, und die Erleichterung ließ seine Stimme zittern. »Ihr kommt genau richtig, um Eure Stadt zu retten.«
***
Sie erlaubten ihm nicht, ohne Eskorte durch Berlin zu gehen.
Bevor Matt protestieren konnte, fand er sich zwischen Soldaten wieder, die ihm immer wieder scheue Blicke zuwarfen, so als könnten sie nicht glauben, in seiner Gegenwart zu sein.
Aruula und Mr. Black mussten sich hinter ihm halten, durften nach den Worten des Ersten Königlichen Beraters in der Öffentlichkeit nicht mit ihm auf einer Höhe gehen. Matt versuchte sich bei ihnen zu entschuldigen, aber Black winkte nur ab und Aruula lächelte sogar, als bereite ihr sein Unbehagen eine gewisse Freude.
Johaan ging ebenfalls hinter Matthew, blieb jedoch so nah, dass dieser seine leise gesprochenen Erklärungen mühelos verstehen konnte, während die Soldaten ununterbrochen »Platz für den Konig!« riefen.
»Wohin gehen wir?«, fragte Matt.
»In den Palast. Die Königin hat kurz nach Eurer Abreise befohlen, den alten Palast zu räumen und in einen neuen zu ziehen. Damit wollte sie in ihrer Weisheit den Neuanfang symbolisieren. Im Palast werdet Ihr Euch direkt in den Audienzsaal begeben. Ich würde Euch gerne die Möglichkeit einräumen, Euch nach all den Strapazen auszuruhen und zu säubern, aber die Geschäfte der Stadt können nicht warten. Dringende Entscheidungen stehen an.«
Sie überquerten den Marktplatz, auf dem gerade die Stände aufgebaut wurden. Matt bemerkte, dass viele geschlossen blieben und das Angebot von frischem Obst und Gemüse gering war. Die Menschen blieben stehen, wenn sie die Soldaten sahen und ihre Rufe hörten. Einige knieten nieder, die meisten starrten Matt nur an.
»Sie wirken nicht gerade fröhlich.«
»Wer?« Johaan schien irritiert über den Themenwechsel.
»Die Leute auf der Straße.«
»Sie haben keinen Grund fröhlich zu sein. Die Vertreter Braandburgs und Pootsdams drohen beide die Stadt zu annektieren, wenn wir nicht heute noch eine Lösung für unser Problem finden. Ihre Armeen sind bereits unterwegs, aber zum Glück seid Ihr ja rechtzeitig gekommen.«
»Rechtzeitig für was!« Matt hatte den Eindruck, dass man ihm wesentliche Informationen vorenthielt. Er verstand nur wenig von dem, was Johaan erklärte.
»Um die Staatsgeschäfte zu leiten. Seit zwei Tagen ist die Stadt praktisch herrenlos. Es ist natürlich ein Fehler in unserer Verfassung. Wir haben einen solchen Fall einfach nicht vorhergesehen und daher auch keine entsprechenden Regeln aufgestellt. Ohne Euer Eintreffen wären wir verloren gewesen.«
»Wieso ist die Stadt herrenlos? Wo ist Jenny?«
»Oh. Das wisst Ihr nicht?« Johaan schüttelte den Kopf. »Die Königin und die Thronfolgerin wurden entführt, vielleicht sogar ermordet. Das Chaos -«
»Entführt?!« Matt blieb so abrupt stehen, dass Mr. Black und ein Soldat mit ihm kollidierten. Die Eskorte stoppte. »Wann ist das passiert?«
»Vor zwei Tagen. Wir haben die Stadt sofort abgeriegelt, als wir ihr Verschwinden bemerkten, aber bis jetzt konnte sie noch nicht gefunden werden. Wir machen uns große Sorgen.«
Er wirkte ernsthaft erschüttert, als er sich mit der Hand über die Stirn fuhr. »Das einfache Volk bekommt nur wenig davon mit, aber durch ihr Verschwinden ist ein Machtvakuum entstanden, das andere gerne füllen würden. Beelinn ist auf dem besten Weg, wohlhabend zu werden. Das bringt
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