093 - Wenn die Knochenmänner tanzen
viele Bücher. Sie standen in selbstgefertigten Regalen, die von langen
Nägeln und gekrümmten Haken in der harten Felswand gehalten wurden.
Die Bücher
waren alt, speckig und zerlesen. In einer Nische befand sich eine Art
Schreibtisch, auf dem vergilbte Blätter aufeinandergestapelt lagen und ein
dickes Buch aufgeschlagen war. Auf der Tischplatte stand ein sehr alter,
verzierter, messingfarbener Kerzenständer mit einer schwarzen Kerze. Am
Kopfende der Tischplatte lag ein ungewöhnlich großer, menschlicher
Totenschädel, an der Wand hingen Bündel getrockneter Kräuter.
Morna
arbeitete weiter an der Lockerung ihrer Fesseln und überlegte, daß offenbar
anderen Vermißten – und auch Pedro Alcantara – den gleichen Weg gegangen waren.
Zumindest was Alcantara anbetraf, war sie fast sicher. Ihr Schicksal und das
des Spaniers glichen sich aufs Haar. Vielleicht war der Fremde, der sie hierhin
verschleppt hatte, jener Paco, mit dem auch Alcantara zusammengetroffen war?
Morna ahnte
nicht, wie nahe sie damit der Wirklichkeit kam.
Plötzlich
hörte sie Geräusche.
Schritte!
Jemand kam in
die Höhle.
Es war ihr
Entführer. Er verzog die Lippen, als sein Blick auf die gefesselte junge Frau
fiel.
»Was soll der
Unfug?« fuhr die Schwedin ihn an, noch ehe er eine Bemerkung machen konnte. »Warum
halten Sie mich gefangen? Wer sind Sie eigentlich?«
»Das sind ja
gleich eine ganze Menge Fragen, die Sie auf mich abschießen, schönes Kind«,
bekam sie zu hören.
»Wenn ich
könnte, wie ich wollte, würde ich noch einiges mehr auf Sie abschießen«, preßte
Morna hervor. Er kicherte. »Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Aber ich habe
vorgebeugt und ihr schickes Täschchen an mich genommen. Der Inhalt spricht für
sich. Danach scheinen Sie mir gar nicht gutgesonnen zu sein. Eine bewaffnete
Dame, so etwas gibt’s doch sonst nur in Kriminalfilmen. Wer hätte das gedacht?
Ich habe die kleine Kanone vorsichtshalber gut versteckt. Da tut sie niemand
weh.«
Er hatte ein
komische Art zu sprechen. Man merkte, daß er offenbar ein Außenseiter, ein
Einzelgänger war, der wenig oder gar keinen Kontakt zu seinen Mitmenschen
hatte.
Er lachte
leise, und es klang gefährlich, als er fortfuhr: »Wie man mich nennt, wollen
Sie wissen? Ich glaube, ich bin Ihnen gar nicht so fremd, wie Sie denken. Sie
haben doch nach mir gesucht.«
»Sie sind
Paco!«
»Ja, erraten,
Paco Guterrez!«
Er trat
näher. Sein Körper war wie ein Schatten, ein Scherenschnitt in der dämmrigen
Höhle.
Paco Guterrez
ging am Lager der hilflos gefesselten Morna vorbei und näherte sich dem Tisch mit
den okkulten Utensilien. Unten in der Nische stand eine Petroleumlampe, die er
anzündete. Das unruhige Licht schuf bizarre Reflexe und warf ein riesengroßes
Abbild seines Körpers an die gegenüberliegende Wand. Es wurde noch unheimlicher
in der Höhle.
»Sie haben
Pedro Alcantara auf dem Gewissen!« beschuldigte ihn Morna. Angriff war die
beste Verteidigung, und in diesem Fall schien ihr diese Strategie
gerechtfertigt. Sie gewann Zeit, wenn sie das Gespräch suchte. Wenn sie
genügend Zeit auf diese Weise herausholte, konnte sie ihre Befreiungsversuche
fortführen. Wenn es ihr gelang, die Fesseln zu lockern, hatte sie die Chance,
das winzige Messer zu erreichen, das zwischen Ober- und Untersohle in ihrem
linken Schuh steckte. Damit ließ sich dann schon etwas anfangen.
Doch Guterrez
hatte kein Interesse daran, sich auf ein Gespräch mit ihr einzulassen.
»Pedro
Alcantara?« fragte er ohne ihr das Gesicht zuzudrehen. »Möglich.«
Das war
alles. Er rückte sich einen Stuhl zurecht, nahm am Tisch Platz, blätterte in
seinen Papieren und schob das dicke, speckige Buch zur Seite.
»Was haben
Sie mit mir vor?« Morna wollte das Gespräch wieder in Gang bringen.
»Warum
interessiert Sie das? Ah, richtig! Sie haben ja etwas mit der Polizei zu tun.
Sie wollen das Geheimnis vom El Toro lüften, nicht wahr? So habe ich es noch in
Erinnerung. Si, si. Sie sprachen mit Ihrem Begleiter darüber, mit Senor Brent,
so war doch sein Name, nicht wahr? Ich werde Sie mit meinen Freunden
bekanntmachen, deswegen bewahre ich Sie hier auf.«
»Bewahre ich
Sie hier auf.« echote Morna leise. Wie sich das anhörte! So, als wäre sie als
Objekt für irgend etwas gedacht.
»Aber bis
meine Freunde kommen, dauert es noch ein bißchen. Dafür muß es dunkel sein.
Wenn die
Musik ertönt, werde ich Sie hinüberbringen – ins El Toro! Und dann werfe ich
Sie den Teufelsanbetern zum
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