0930 - Das Loch im Universum
erreichen. Er erinnerte sich des seltsamen Rucks, der durch den Strom gegangen war und ihn veranlaßt hatte, hierher aufzubrechen. In seiner Not rief er nach dem Strom, aber er erhielt keine Antwort. Er schien so vollkommen von seiner ehemaligen Umgebung abgeschnitten zu sein, daß es keine Verbindungsmöglichkeit mehr gab.
In diesem Augenblick huschte einer der Strömer in Gedankenschnelle an ihm vorbei. Der Strömer fühlte sich von einem kurzen Sog erfaßt, als eine bisher nicht spürbare Kraft auf ihn einwirkte. Es dauerte jedoch nicht lange, und er setzte seine Fortbewegung fort, als wäre nichts geschehen.
Der Einfluß des anderen Strömers hatte nicht ausgereicht, um ihn aus der Bahn zu werfen. Der andere verschwand aus seinem Beobachtungskreis.
Immer mehr fremdartige Kräfte wirkten nun auf den Strömer ein, die gesamte Kreuzung schien regelrecht zu pulsieren.
Ich werde dort regelrecht vergehen! ging es dem Strömer durch den Sinn.
Schräg vor ihm entstand ein Wirbel feuriger Linien. Es waren Strömer, die einander umtanzten und dabei dieses Muster schufen. Sie konnten weder miteinander kollidieren noch aus ihren gegenseitigen Kraftfeldern entkommen. Dann jedoch rasten andere Strömer in dieses scheinbar unzerstörbare Gebilde hinein, prallten mit den tanzenden Einheiten zusammen und trieben sie auseinander.
Da wurde der Strömer getroffen.
Es war ein seltsames Gefühl, das ihn tief in seinem Innern berührte. Er dachte, daß er im nächsten Augenblick unter der Kraft des Aufpralls zerplatzen würde oder daß in ihm freigesetzte Kräfte ihn von innen heraus sprengen würden. Doch nichts dergleichen geschah. Dagegen verpuffte der Strömer, der gegen ihn geprallt war, in einem Meer von farbigen Linien. Der Strömer fühlte Schuldbewußtsein in sich aufsteigen, denn er war nicht mehr sicher, ob der andere blindlings auf ihn zugerast war oder ob er ihn vielleicht angezogen hatte.
Beides schien möglich zu sein. Der Weg des Strömers wurde immer unregelmäßiger, weil es ihm nicht mehr möglich war, in einer geraden Bahn dahinzutreiben. Zu viele fremde Kräfte wirkten auf ihn ein. Alle diese anderen Strömer beeinflußten ihn.
Aber er hatte auch Einfluß auf sie. Dabei befand er sich erst am Rand der Kreuzung, in deren Zentrum ein unüberschaubares Chaos herrschte.
Ein Gebilde doppelt so groß wie er, aber augenscheinlich von wesentlich geringerer Masse, taumelte dicht an ihm vorbei. In einer gewissen Entfernung spaltete es sich und bildete zwei kleinere Strömer, von denen jeder mehr Masse als er selbst besaß. Wie ist das nur möglich? fragte er sich. Eine Zeitlang wurde er von den Beharrungskräften der zwei Neuentstandenen gebeutelt, dann kam er wieder frei. Diese Freiheit währte jedoch nicht lange. Er wurde erneut von irgend etwas angezogen, dann wieder abgestoßen und in Drehbewegungen versetzt. Innerhalb weniger Augenblicke verlor er völlig die Orientierung. Pausenlos prallten andere Strömer gegen ihn. Alles, was er noch einwandfrei wahrnahm, war, daß sie ihn offenbar nicht zerstören konnten. Er besaß irgend etwas, was ihn von den anderen unterschied. Er teilte sich nicht und änderte auch nicht seine Form. Etwas hüllte ihn ein, was ihn zu schützen schien.
Also bin ich doch etwas Einzigartiges! dachte er triumphierend.
Angesichts der schrecklichen Gefahren, denen er ausgesetzt war, erschien ihm diese Zufriedenheit grotesk, aber sie war etwas, an das er sich klammern konnte.
Es war ihm unmöglich, herauszufinden, ob er sich bereits mitten in der Kreuzung befand. Wahrscheinlich würde er, wenn er jemals wieder hier herauskommen sollte, nicht einmal feststellen können, nach welcher Seite er sich bewegt hatte. Trotz der unzähligen Strömer schien der Fluß des Nebenarms unbeeinflußt vonstatten zu gehen.
Eine Flut von Licht schien den Strömer zu ertränken. Es war nicht das warme Leuchten des Stromes, sondern ein ununterbrochenes Zukken greller Blitze, die von allen Seiten auf ihn einhämmerten. Seine Andersartigkeit schien die anderen Strömer geradezu herauszufordern, sich mit aller Vehemenz auf ihn zu stürzen.
Wenn sie ihn auch nicht unmittelbar vernichten konnten, so würden sie doch über kurz oder lang sein Ende herbeiführen, denn er konnte diesem Bombardement fremder Impulse sicher nicht länger standhalten. Er würde seine Identität aufgeben - und das war dem Erlöschen gleichzusetzen. Sein Gefühl verriet ihm, daß er sich dem eigentlichen Zentrum dieses unfaßbaren Wirbels
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