0931 - Bauchtanz mit dem Tod
Leila.«
»Aber es ist das Blut meiner Katze!« keuchte die Frau. »Meiner Katze, die ich über fünf Jahre gehabt…«
»… und getötet habe!« vollendete der Mann.
»Ja, ja, das stimmt!«
»Dann kannst du das Blut auch trinken. Zuerst das der Tiere, dann das der Menschen.«
Leila kam nicht über ihre Katze hinweg. »Ich habe sie zwar getötet, aber du hast mich dazu gezwungen, das darfst du nicht vergessen. Ich glaube nicht, ob ich es gekonnt hätte.«
Der Mann gönnte ihr eine kleine Nachdenkpause. Dann sagte er: »Du mußte dich jetzt hier entscheiden. Willst du zu uns gehören, oder willst du es nicht?«
»Doch, schon. Aber…«
»Kein Aber!« schrie er. »Trink!« Wir hatten zugehört und waren natürlich nicht untätig geblieben. Schritt für Schritt hatten wir uns der offenen Tür genähert und brauchten nur mehr einen langen Schritt zu machen, um ihren Rand zu erreichen.
Suko, der noch immer vor mir ging, verstand, worauf es ankam. Er machte sich klein, damit ich über ihn hinwegschauen konnte.
Im ersten Augenblick gab es nicht viel zu sehen. Das blasse Flackerlicht blendete uns, und sicherlich nicht nur ich zwinkerte dabei mit den Augen.
Auch wenn es kein heller Schein war, reichte es trotzdem aus, um alles zu überblicken.
Es war ein relativ leerer Raum. Eine Feuerstelle gab es natürlich, aber sie bestand nicht aus brennenden Holzscheiten. In einer Schale tanzte eine blasse Flamme über einer dunklen Flüssigkeit, die so ähnlich brannte wie Schnaps. Der Schein erfaßte zwei Menschen. Einen Mann und eine Frau. Der Mann sah wild aus, er erinnerte mich mit seiner dunklen Mähne an den dämonischen Rasputin. Sein Alter war schwer zu schätzen, denn beinahe sein gesamtes Gesicht wurde von einem dunklen Bart überwuchert, dicht und struppig wie Fell. Er hockte auf einem Holzschemel, trug schwarzgraue Kleidung, die aus irgendeinem schimmernden Satinstoff bestand, und stierte auf die vor ihm sitzende junge Frau, deren Haare wie lockiges Drahtgeflecht wirkten, das man mit einer leicht goldenen Farbe überpinselt hatte. Sie hielt eine Schale in der Hand, in der tatsächlich eine rote Flüssigkeit schimmerte.
Das Blut ihrer Katze!
Die Kleidung stand im krassen Gegensatz zu der des Mannes, denn ihr Körper wurde von einem weißen Gewand umschlungen, dessen Stoff aussah wie eine dünne Gardine. So wie diese Leila hatten in den Vampirfilmen immer die Bräute der Blutsauger ausgesehen.
Leila war keine Weiße, sondern ein farbiges Mädchen. Der Gesichtsform nach konnte sie aus dem karibischen Raum stammen. Sie hatte große, dunkle Augen, die voller Furcht auf die Schale mit dem Katzenblut blickten.
Der Kerl zitterte vor Wut. »Trink endlich!« keuchte er. »Los, sonst wirst du die Kraft des Blutes nie in deinem eigenen Körper erleben!«
Leila zögerte noch.
Dann aber hob sie die Schale an. Obwohl das Gefäß von beiden Händen unten und an den Seiten gehalten wurde, lief etwas Blut über den Rand, denn die Hände der Frau zitterten stark.
»Mach schon, verdammt!«
Ich stieß Suko an.
Er wußte Bescheid und huschte als erster in den Raum. Ich folgte ihm und hörte Sukos Stimme.
»Ich glaube nicht, daß Leila trinken wird, du komischer Rasputin…«
***
Es war ein Fest für die Augen, was die beiden Frauen erlebten. Aber auch ein Fest des Grauens, denn sie begriffen nicht, was mit dem Toten vorging. Das heißt, sie sahen es, aber sie konnten es nicht verstehen, denn so etwas wäre nicht mal in ihren schlimmsten Alpträumen vorgekommen.
Die Leiche war dabei, sich zu verändern, und beide wußten jetzt auch, woher das klirrende Geräusch stammte.
Es lag an der dünnen Haut des Toten, die sich tatsächlich wie Papier zusammenzog und dabei die ersten Risse zeigte, weil sie jegliche Geschmeidigkeit verloren hatte.
Sie war trocken geworden, es gab in ihr keine Feuchtigkeit mehr. Sie platzte auseinander, und aus dem Maul des Toten drang auch jetzt noch dieser stinkende Rauch, der sich über dem Gesicht verteilte.
Der kostbare und breite Diwan war zu einem Ort des Grauens geworden, der Vernichtung, des Todes oder der Veränderung oder des Wechsels, aber darüber dachten die Frauen nicht nach.
Sie konnten nichts tun. Sie hatten sich nicht zurückgezogen und rahmten dieses schaurige Bild wie Statuen von zwei Seiten ein, die Messergriffe noch immer umklammert.
Die Leiche veränderte sich weiter. Plötzlich riß die Haut in ihrem Gesicht mit einem leicht singenden Geräusch, und kleine Fetzen lösten
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