0931 - Bauchtanz mit dem Tod
sich von den Knochen, die bleich und deutlich sichtbar zu sehen waren.
Allerdings nicht so blaß wie bei einem normalen Skelett, das Gebein hatte sogar einen leichten Graustich bekommen, als wäre es mit der Asche aus einem Krematorium eingeschmiert oder bepudert worden.
Janina schaffte es, ihrer Statue zu entweichen und sich als erste zu rühren. Sie rutschte dabei zurück, bis sie die Kante des Diwans erreicht hatte. Beinahe wäre sie gestolpert und hätte sich mit dem Messer noch selbst verletzt, aber sie fing sich wieder und winkte mit der freien Hand ihrer Freundin.
»Komm doch! - Wilma, komm!«
»Ja, ja…« Wilma konnte sich noch nicht bewegen. Die Veränderung dieses Toten faszinierte sie auf eine gewisse Art und Weise, obwohl sie auch abgestoßen war. Sie hatte keine Lust am Grauen, mußte aber einsehen, daß sie daran nicht vorbeikam.
Die Haut verschwand wie eine alte Pelle, die sowieso überflüssig gewesen war. Dafür zeigten sich die Knochen. Gelblich weiß, aber immer wieder mit den aschigen Streifen bestrichen, die sich auch in die Gelenke hineinzogen, mit denen die einzelnen Knochen verbunden waren.
Noch mehr Haut fiel ab. Blieb dünn neben dem Toten liegen und verschmierte die Kissen.
Das Skelett selbst hatte sich bisher nicht gerührt. Es lag nach wie vor starr auf dem Rücken, doch plötzlich zuckte der rechte Arm.
Genau diese Bewegung ließ bei Wilma den Faden reißen. Sie schrie auf, und sie dachte nur mehr an Flucht. Die blonde Frau rollte sich über den Diwan hinweg, sie kam wegen der eng um den Körper geschlungenen Kleidung nicht so schnell hoch, keuchte und zitterte, während sie lief und ihre Freundin zu erreichen versuchte.
Angst trieb sie voran. Janina war schon weitergegangen. Sie wollte für sich und ihre Freundin die Tür öffnen, nur kam es nicht mehr dazu. Es gab den Wachtposten, der Meret hieß, und der mußte die Geräusche gehört haben und zur Tür zurückgekehrt sein.
Genau in dieser Sekunde hatte sich Janina umgedreht, um sie ebenfalls zu öffnen.
Da erschien Meret.
Er war ein Bulle von Mann. Klein, aber kompakt, und sein dunkles Haar hatte er unter einer Mütze verborgen. Auf der Oberlippe wuchs der Bart wie eine dünne Sichel. Kleine Augen weiteten sich jetzt, als er nicht nur die beiden gefangenen Frauen in diesem Salon sah, sondern auch die Gestalt auf dem Bett.
Dieser Anblick raubte ihm die Sprache. Zunächst mal, dann schnappte er nach Luft, fuhr herum, und bevor Janina reagieren konnte, kriegte sie seine Pranke zu spüren, die sich um ihren Hals geklammert hatte. Er zerrte sie zu sich heran, schüttelte sie durch und schrie: »Was hast du getan, verdammt? Was habt ihr getan?«
Janina konnte nicht sprechen. Sie spürte die Pranke im Nacken. Ihr Kopf wurde nach unten gedrückt und durchgeschüttelt. Sie hatte die Übersicht verloren, aber Meret wollte eine Antwort. Er starrte auf die zweite Frau, die auf ihn zukam. Es war der einzige Weg, der eben zur Tür hinführte.
Wilma hatte sich zwar nicht in der Gewalt, aber sie war an einem Punkt angelangt, wo sie agierte, ohne daß ihre Handlungen bewußt gesteuert wurden. Alles, was sie tat, unternahm sie rein vom Überlebenswillen gesteuert, und so ging sie auch auf den bulligen Wächter zu, der Janina noch immer festhielt und durchschüttelte.
Wilma blieb stehen. »Laß sie los!«
Meret gehorchte nicht. Er hielt Janina noch immer fest, aber er schüttelte sie nicht mehr durch. »Was habt ihr getan?« grollte er. »Was habt ihr da getan?«
»Laß sie los!«
Er kümmerte sich nicht darum. Es interessierte ihn auch nicht, daß Wilma näher an ihn herankam. Er schaute zum Bett hin, wo dieses graue, widerliche Skelett einfach in die Höhe stieg und über dem Diwan schwebte.
Wilma sah es nicht, weil sie der Liegestatt den Rücken zudrehte. »Du sollst sie loslassen!« Die Worte waren nur mehr ein Knurren.
»Was habt ihr getan?« heulte der Wächter erneut. »Ihr habt einen Dschinn, einen Teufel, aus der Hölle geholt. Ihr habt ihn befreit. Ihr hättet es nicht machen dürfen!«
Wilma schüttelte den Kopf. In dem weißen Laken und mit den hellblonden Haaren sowie der bleichen Haut sah sie aus wie ein Gespenst, und sie ging noch einen Schritt auf den Wächter zu.
Der senkte erst jetzt den Kopf, als fiele ihm ein, daß dort noch eine zweite Person stand.
Er sah auch das Messer.
Und er sah, wie es sich bewegte. Hart vorgestoßen, direkt auf ihn zu, aber so schnell war er nicht.
Die Klinge bohrte sich durch den
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