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0931 - Das strahlende Gefängnis

Titel: 0931 - Das strahlende Gefängnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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feststellen?"
    „Mit dem einfachsten und zuverlässigsten Versuch, den man sich denken kann", erklärte die Hyperphysikerin gelassen. „Millikan." Hamiller gewann allmählich seine Fassung wieder. „Das Resultat muss ich sehen!" stieß er hervor. „Sagen Sie mir, wo Sie stecken - ich bin sofort bei Ihnen!"
    Er fand Ennea Gheet in einem winzigen, abseits gelegenen Raum, der weiter nichts als eine Datenstation und mehrere Registriergeräte enthielt. Ein Interkomanschluss war ebenfalls vorhanden. „Setzen Sie sich", sagte die Hyperphysikerin, als sie Hamiller eintreten hörte. „Ich bin dabei, die numerische Auswertung ein drittes Mal zu Überprüfen. Sie werden staunen, was wir gefunden haben!"
    Payne Hamiller sah sich um, aber es gab keinen einzigen Einrichtungsgegenstand, den er als Sitzmöbel hätte benützen können. Er blieb stehen. Ennea betätigte mit geschwinden Fingern eine Serie von Tasten auf der Datenkonsole. Zeichen huschten in rascher Folge über die Bildfläche. Schließlich sagte Ennea mit Nachdruck: „Das wär's! Maximale Ungenauigkeit plus-minus zwei Prozent. Millikan - halt dich fest! Die Elementarladung beträgt drüben, jenseits des Loches, zwo-komma-acht mal zehn hoch minus neunzehn Amperesekunden. Was sagen Sie jetzt?" Payne Hamiller war blass geworden. „Zwei-komma-acht...!" ächzte er. Die klassische Elementarladung, d.h. die elektrische Ladung eines Elektrons, beträgt 1,6:10-11 Amperesekunden.
    Sie wird bei Messungen der Strangeness, also des Strukturunterschieds zweier Universen, gern als Referenzgröße herangezogen, weil sie leicht zu ermitteln ist und zwar mit wesentlich derselben Versuchsanordnung, die der amerikanische Physiker Robert A. Millikan zu Beginn des 20.
    Jahrhunderts für denselben Zweck verwendet hatte.
    Hamiller ließ sich die Rechenergebnisse noch einmal vorspielen. Obwohl das Resultat ihn zutiefst erschüttert hatte, verfolgte er mit Konzentration jeden einzelnen Analyseschritt, den Ennea Gheet vollzogen hatte, und musste sich im Stillen eingestehen, dass er die Sache nicht besser hätte machen können. „Das ist phantastisch!" stieß er schließlich hervor. „Welche weiteren Experimente haben Sie geplant?"
    „Ausbreitungsgeschwindigkeit elektromagnetischer Wellen, Plancksches Wirkungsquantum, Wellenwider stand des Vakuums."
    „Sie wissen, was das bedeutet?" fragte Payne Hamiller erregt. Kaum hatte er den Satz zu Ende gesprochen, da kam ihm zu Bewusstsein, dass sein „Relationenmodell der Kontinua" bisher unveröffentlicht war und daher niemand damit vertraut sein konnte. „Vielmehr - Sie wissen es wahrscheinlich nicht", fügte er enttäuscht hinzu. Ennea lächelte. „Ich kann zumindest spekulieren", meinte sie. „Es gibt im System der quinternionischen Differentialgleichungen eine Variable, die als Symodal bezeichnet wird, weil sie auf recht eigenartige Weise zur Lösungsvielfalt beiträgt. Der Wert der Variablen bewegt sich zwischen Null und Eins. Jeder Wert außerhalb dieses Bereichs führt zu einer Zahl von null Lösungen. Die symodale Variable hat, solange sich ihr Wert zwischen den Grenzen Null und etwa 0,8 bewegt, keinen nennenswerten Einfluss auf den Lösungsausgang. Steigt sie jedoch über 0,8 hinaus, so wird sie dominierend und bläht die Lösungsvielfalt bis zum Höchstwert von 2048 auf. Diese Zahl wird allerdings erst erreicht, wenn der Wert der Symodal-Variablen sich eins nähert."
    Payne Hamiller blinzelte aus kurzsichtigen Augen. Sein Mund bewegte sich offenbar in der Bemühung, Laute hervorzubringen. Es bedurfte jedoch einiger Anstrengung, bevor der Wissenschaftler die Sprache wiederfand. „Woher... wissen Sie das alles?" fragte er verblüfft. Ennea Gheets Lächeln wurde verschmitzt. „Ich bin stets auf der Suche nach einem neuen Einstein", bekannte sie. „Oder sagen wir Dirac, der ist wirklich mehr mein Typ. Ich verfolge alles, was auf dem naturwissenschaftlichen Markt vorgeht, und wenn ich mir einen bestimmten Kandidaten ausgesucht habe, dieser Kandidat sich jedoch weigert, seine Theorien zu veröffentlichen, dann schrecke ich auch davor nicht zurück, mir Zugang zu seinen privaten Aufzeichnungen zu verschaffen."
    „Sie haben...Sie haben...", stotterte Hamiller. „Ganz richtig: Ich habe!" kam ihm die Hyperphysikerin zu Hilfe. „Nämlich Einsicht genommen in die Unterlagen, die Sie durch den Zweigrechner Servac-2 haben aufzeichnen lassen. Das ist in Wirklichkeit ganz einfach, glauben Sie mir, und wahrscheinlich nicht einmal verboten.

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