0932 - Grausame Zeit
grau aus. Die Fröhlichkeit des letzten Sommers war vorerst dahin, der triste Alltag hatte die Menschen eingeholt. Das gesamte Bild paßte auch zu Harry Stahls Stimmung, der sich vor Wut gern selbst in den Hintern getreten hätte.
Natürlich war Alfons Buzea weg. Verschwunden, untergetaucht, was ihm nicht mal schwergefallen war. Hier konnte jemand verschwinden, wenn man ihn nur für Sekunden aus den Augen ließ, und Buzea hatte einen ziemlich großen Vorsprung.
Harry mußte seine Gedanken erst ordnen. In einem Kaffeeladen bestellte er sich eine Tasse der braunen Brühe und blieb an einem der drei Stehtische stehen. Er mußte erst mal nachdenken, und dabei würde ihm der Inhalt der großen Tasse sicherlich helfen.
Was war zu tun?
Ganz einfach. Er brauchte nur Buzea zu finden. Verhaften oder ihn den Kollegen übergeben konnte er nicht, denn Buzea hatte sich normal benommen und sich keines Vergehens schuldig gemacht, abgesehen von einem Angriff auf ihn, doch eine derartige Tatsache stand auf mehr als wackligen Füßen.
Harry schlürfte den Kaffee, während er nachdachte. Er konnte es drehen und wenden, von links oder von rechts betrachten, das Ergebnis blieb gleich.
Er hatte versagt.
Verloren, brutal gesagt. Alfons Buzea war ihm entwischt, und er hatte auch mit einem sicheren Instinkt gespürt, daß er verfolgt wurde. Die langen Jahre hinter Gittern mußten ihn schon für gewisse Vorgänge sensibilisiert haben.
Was tun?
Harry schaute gegen die Verkaufstheke, hinter der zwei Frauen die Kunden bedienten. Eine Lösung kam ihm nicht in den Sinn. Er mußte sie Schritt für Schritt anstreben, und er würde auch eine Niederlage zugeben müssen. Dann mußte er seinen Freund John Sinclair anrufen. Er wollte sich nicht mehr allein auf die Suche nach Buzea machen. Bei dem konnten ihm die Probleme über den Kopf wachsen. Wenn er tatsächlich einen so starken Draht zur Hölle hatte, war John genau der richtige Mann, um ihn zu stellen.
Harry leerte die Tasse, verließ den warmen Raum mit dem Geruch des röstfrischen Kaffees in der Nase. Er stellte den Kragen seines Mantels hoch und suchte die nächste Zelle auf. Die Nummer des Zuchthauses hatte er sich notiert. Er hoffte, daß er den Direktor noch erreichte. Ihm wollte er als ersten seine Niederlage eingestehen. Die beiden Männer hatten sich nur einmal kurz gesehen, und als Buzea entlassen worden war, hatte Müller Harry angerufen.
Er meldete sich mit einer Stimme, die nicht sehr nett klang. Vielleicht fühlte er sich gestört.
»Stahl hier!«
»Oh!« Müller war hellwach. »Da ist eine Überraschung - oder auch nicht. Beinahe habe ich mir gewünscht, daß Sie anrufen.«
»Ja, ich mußte es tun.«
»Was ist mit unserem Objekt? Gibt es Neuigkeiten?«
»Leider…«
»Hört sich nicht gut an.«
»Ist auch nicht gut, Herr Müller. Ich habe das Objekt leider aus den Augen verloren und habe dabei noch das Glück gehabt, nicht umgebracht worden zu sein.«
»Verdammt!« Müller schnaufte. Nach einer Weile hatte er sich wieder gefangen. »Erzählen Sie!«
Harry war ehrlich und nahm kein Blatt vor den Mund. Er selbst brauchte sich keinen Vorwurf zu machen. Er hatte getan, was er konnte, aber er hatte nicht mit dem raubtierhaften Instinkt dieser Person gerechnet, und das gestand ihm auch Müller zu.
»Ja, Herr Stahl. Dieser Buzea ist kein Mensch. Der ist schlimmer als ein Tier. Eine Bestie!« Der Direktor schnaufte. »Was bleibt uns?«
»Eine Niederlage.«
»Es war Ihr Mann, Stahl.«
»Das weiß ich. Glauben Sie denn, es macht mir Spaß, das einzugestehen? Ich hasse Niederlagen, aber heute habe ich eine einstecken müssen.«
»Wie wollen Sie ihn finden?«
»Eine gute Frage, auf die eine Antwort schwerfällt.« Harry ärgerte sich wieder. In der Telefonzelle war es eng, es kam ihm auch verdammt heiß vor, und er fing an zu schwitzen. Er wußte, daß es einzig und allein an ihm lag, die Spur wieder aufzunehmen, aber wo, zum Henker, sollte er anfangen zu suchen?
Ein Mensch wie Buzea ging nicht planlos vor. Er hatte sich einiges zurechtgelegt. Er wußte genau, wann und wo er zuschlagen mußte. Er kannte seinen Weg, und er würde ihn auf keinen Fall verlassen, das stand fest.
»Wir haben ihn in den letzten Jahren beobachten können, Herr Müller. Stellt sich die Frage, was er vorhat.«
Müller lachte. »Beobachten? Nein, nicht ich, sondern meine Leute, aber die haben auch nichts herausgefunden. Sie sind an ihn überhaupt nicht herangekommen. Er hat so etwas wie einen
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