0932 - Grausame Zeit
Schutzschild um sich herum aufgebaut. Verstehen Sie? Er redet kaum, und wenn er sprach, dann sicherlich nicht über seine Pläne nach der Entlassung.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Aber er wird etwas tun. Hören Sie zu, Stahl. Können Sie mich in einer halben Stunde noch einmal anrufen? Ich muß mit jemandem reden, der ihn am besten kennt. Es gibt da einen Aufseher namens Anton Cichon. Er und Buzea waren praktisch acht Jahre lang zusammen, auch wenn sie auf verschiedenen Seiten standen.«
»Gut, ich melde mich wieder.« Harry war froh, der Enge der Zelle entweichen zu können. Im Freien atmete er erst mal tief durch. Es war überhaupt alles feucht, denn der Regen hatte nicht aufgehört. Es nieselte weiter aus den tiefhängenden Wolken.
Die Zelle befand sich nicht weit von dem Platz entfernt, wo Harry seinen Wagen abgestellt hatte. Nach einem Fußweg von sieben Minuten erreichte er den Opel. Den nächsten Anruf würde er von hier aus führen.
Aus dem Handschuhfach holte er sein Handy hervor und wartete.
Die Zeit wurde lang. In der Nähe war eine Haltestelle der S-Bahn. Zu ihrem Gelände gehörte auch dieser »Park and Ride«-Platz.
Harry schaute zu, wie die Menschen in ihre Autos stiegen. Das Seitenfenster hatte er geöffnet. Die Luft verteilte sich im Fahrzeug wie feuchter Nebel. Die Bäume in der Nähe schimmerten nicht nur an den Stämmen naß, sondern auch dort, wo sich das Blattwerk ausbreitete.
Wenn Autos in seiner Nähe gestartet wurden, drangen dicke Wolken aus den Öffnungen der Auspuffrohre.
Eine halbe Stunde hielt es Harry Stahl nicht aus. Erst zwanzig Minuten waren vergangen, als er Müllers Nummer erneut wählte, aber der Direktor befand sich nicht in seinem Büro. Sein Vorzimmer war auch nicht besetzt.
Wieder warten.
Nach einem dritten Versuch - mitt lerweile waren fast vierzig Minuten vergangen - hatte Harry Erfolg. Müller meldete sich, und seine Stimme klang ein wenig atemlos.
»Ich bin soeben von meinem Gespräch mit Anton Cichon zurückgekehrt.«
»Hat es denn etwas gebracht, Herr Müller?«
»Wie man's nimmt. Wir alle sind nicht begeistert, daß Buzea Ihnen durch die Lappen gegangen ist, das können wir nicht mehr ändern und müssen uns den Konsequenzen stellen. Zudem habe ich von Cichon etwas gehört, das mich schon beunruhigt.«
»Und was?«
»Es geht natürlich um den Entlassenen. Aber auch um das Verhältnis zwischen ihm und diesem Anton Cichon. Beide waren keine Freunde, das habe ich mir noch einmal bestätigen lassen. Und beide haßten sich bis aufs Blut. Ich weiß nicht, wieviel Buzea über Cichon weiß, aber einiges hat er in diesen langen Jahren doch über ihn in Erfahrung bringen können. So ist es durchaus möglich, daß er weiß, wo Cichon wohnt.«
»Aha.«
»Denken Sie das, was ich denke?«
»Sie meinen, daß Buzea zu Cichon nach Hause geht?«
»Das ist zu befürchten, das könnte sein.«
»Und wen würde er dort treffen?«
»Seine Frau Gerda.«
Harry Stahl schwieg. Er schaute aus dem Fenster. Er sah die normale Welt, aber sie kam ihm vor wie in düstere Schatten getaucht, denn eine heiße Welle war in ihm hochgeschossen. »Seine Frau also«, murmelte er, »das ist ein heißes Eisen.«
»Sie ist im Haus.«
Harry räusperte sich. »Und wo lebt er?«
Er bekam die Adresse, und Müller fügte hinzu, daß sich Cichon bereits auf den Weg gemacht hatte. »Sollte er ihn dort vorfinden, was wegen gewisser Umstände wohl keiner von uns hofft, dann kann ich Ihnen sagen, ist er genau der richtige Mann. Ihm wird Buzea nicht entwischen. Die beiden werden miteinander abrechnen.«
»Das lassen Sie zu?«
Der Direktor konnte sich das harte Lachen nicht verkneifen. »Was soll ich denn tun? Es muß nicht sein, aber wir müssen diesem Hundesohn alles zutrauen. Cichon hat seine Frau schon angerufen. Er wollte erst gegen zwanzig Uhr in seinem Haus sein, das aber hat er sich überlegt, und er ist bereits losgefahren.«
»Gut, dann werde ich mich auch auf den Weg machen. Ich schaue nur noch auf der Karte nach, wie ich fahren muß.«
»Gut, Herr Stahl. Sie sind gewarnt. Sie wissen, wie gefährlich dieser Buzea ist.«
»Das habe ich am eigenen Leib zu spüren bekommen.« Harry dachte wieder an seinen Hals, der noch immer geschwollen war. »Ich werde vorsichtiger sein.«
»Dann können wir uns gegenseitig nur die Daumen drücken, Herr Stahl.«
»Sicher.«
Das Gespräch war beendet. Es hatte Stahl nichts Konkretes gebracht, aber seine Befürchtungen waren gewachsen. Wie
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