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0933 - Der erste Erbfolger

0933 - Der erste Erbfolger

Titel: 0933 - Der erste Erbfolger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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ihm heute zum Verhängnis werden.
    Der Meister des Übersinnlichen schreckte mental hoch und trennte sein Bewusstsein von Jesofs. Es war erneut geschehen! Er hatte schon wieder seine eigene Persönlichkeit verloren, war mit der von Invo Tanaars Sohn eins geworden.
    Reiß dich zusammen! Du musst besser aufpassen, dich besser konzentrieren!
    Im Gegensatz zu Jesof konnte sich Zamorra nicht vorstellen, dass Stracen unvorsichtig war. Er vermutete, dass es einen Grund für sein Verhalten gab. Dass er etwas damit bezweckte. Aber was?
    Bewegung kam erst in den goldenen Vorhang, dann in die Menschenmenge. Die zwölf Höchsten Räte und der Zaer betraten unter dem Jubel des Publikums das Podium und nahmen ihre Plätze ein. Nur kurz danach schritten die Familien der Männer durch den Vorhang und stellten sich hinter den entsprechenden Stühlen auf.
    Fantastisch , dachte Zamorra. Die Frauen und Kinder müssen stehen, während die Herren der Schöpfung sitzen dürfen. Gibt es keine weiblichen Räte?
    Aryen Zaer'hysop Chluhe'chlyn hob beide Arme und brachte die Menge zum Schweigen. Dann erklärte er die Sitzung für eröffnet.
    Es ging um die Wasserrechte für die Nordstadt und die Verteilung der Energie des Lebensspenders. Nach einigen Minuten ging die Versammlung in eine Art Gerichtsverhandlung über, in der der Rat einen Großgrundbesitzer einer Grenzsteinverletzung bezichtigte. Dieser beteuerte verzweifelt seine Unschuld und der Rat folgte seiner Ansicht mit acht zu vier Stimmen. Unter dem großen Jubel der Bevölkerung übte Aryen seine Stimme jedoch so aus, dass trotz der Unterzahl eine Verurteilung erreicht wurde. Dem Angeklagten wurden das Eigentum an seinen Besitztümern aberkannt und zur Hälfte dem Rat, zur anderen Hälfte verschiedenen armen Bürgern zugeteilt.
    Zamorra versuchte zunächst, aufmerksam zuzuhören, doch schon bald gingen seine Gedanken auf Wanderschaft. Ob es daran lag, dass er das Rechtssystem, das zu solchen Ungerechtigkeiten fähig war, nicht durchschaute, oder dass Jesof die Themen der Sitzung nicht interessierten, wusste er nicht.
    Und dann endlich war es so weit. Jesof entdeckte die Schwarzhaarige, die sich durch die Masse wühlte, zu einer der bewachten Türen ging, die von der Ratshalle abzweigten, und nach einem kurzen Gespräch mit dem Wachmann darin verschwand.
    Ein süffisantes Lächeln lag auf den Lippen des Gardisten.
    Keine zwei Minuten später verließ Stracen den Platz hinter dem Stuhl seines Vaters, ging zur linken Seite des Podiums und kletterte herunter. Die Besucher der Versammlung waren von den Diskussionen des Rats offenbar so gefesselt, dass sie den Erbfolger keines Blickes würdigten.
    Er huschte am Rand der Halle entlang zu der Tür, hinter der das Mädchen verschwunden war, wechselte einige Worte mit dem Wachmann davor, sah sich noch einmal um und schlüpfte in den Raum. Der Gardist machte sich auf den Weg zu seinen Kollegen vor dem Podium.
    Jesof wartete noch einige Augenblicke ab, dann schlenderte er unauffällig zu Stracens vermutlichem Liebesnest.
    Unauffällig? , dachte Zamorra. Sich ständig nervös über die Schulter zu blicken, sich alle paar Sekunden die feuchten Handflächen an der Hose abzuwischen, soll unauffällig sein?
    Vor der Tür blieb er stehen. In der Hoffnung, dass sie ihn nicht bemerkten, wenn er hereinkam, wollte er Stracen und seiner Freundin erst etwas Zeit lassen, sich miteinander zu beschäftigen.
    Er tastete nach dem Gedankenkristall in der Tasche. Leider nur ein Stein der untersten Stufe. Seine Kraft reichte nicht aus, einen stärkeren zu steuern. Für eine so einfache - und deshalb streng verbotene - Aufgabe, ein Schloss zu öffnen, sollte er jedoch ausreichen.
    In Gedanken zählte Jesof bis zweihundert, verzählte sich einige Male und fing vorsichtshalber noch einmal von vorne an. Dann endlich legte er die Hand um den Knauf und drehte ihn.
    Die Tür öffnete sich. Sie war überhaupt nicht verschlossen! Also brauchte er den Gedankenkristall nicht.
    Alles in Zamorra schrie: Falle! Jesof hörte es nicht.
    Invo Tanaars Sohn schob sich durch den Schlitz und drückte die Tür sofort wieder ins Schloss. Ein kurzer Gang erstreckte sich vor ihm, dessen Wände hinter vollgestopften Bücherregalen verschwanden. Am Ende des Ganges hing eine seidene Gardine, hinter der Kichern und lustvolle Geräusche erklangen.
    Sehr gut! Der Erbfolger war abgelenkt!
    Jesof schlich zu der Stoffabtrennung, zog den Dolch unter seinem Gewand hervor und schlüpfte geräuschlos

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