Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0933 - Der erste Erbfolger

0933 - Der erste Erbfolger

Titel: 0933 - Der erste Erbfolger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
Vom Netzwerk:
Vermutung kroch in ihm hoch? Hatte er sich in Jesof verloren? War er zu ihm geworden, wie er es vorhin schon befürchtet hatte?
    Vorhin? War das tatsächlich vorhin gewesen? Oder war viel mehr Zeit vergangen?
    Es verstrichen einige Sekunden, bis Zamorra die neue Lage begriff. Um ihn herum standen unzählige Menschen. Männer, Frauen, Kinder, die wie Jesof auf das Palasttor starrten und darauf warteten, dass es sich öffnete.
    Woher weiß ich das?
    Da wurde Zamorra klar, dass die geistige Verbindung mit seinem Wirtskörper noch immer anhielt. Er konnte ihn zwar nicht steuern, aber er konnte in seinen Gedanken lesen. So richtig traf es das aber auch nicht. Vielmehr waren Jesofs Gedanken auch Zamorras. Irgendwie.
    Ein weiteres Zeichen, dass meine Seele in dem fremden Körper langsam erlischt! Ich muss mich dagegen wehren!
    Die Flügel des Tors schwangen auf und die Menge setzte sich in Bewegung. Zur monatlich stattfindenden öffentlichen Ratsversammlung. Im Gegensatz zu den geschlossenen Sitzungen, die die Räte zweimal pro Woche abhielten, tagten sie nicht im Ratsgebäude, sondern im Zaer-Palast.
    Diese Neuerung hatte Aryen nach seiner Ernennung zum Hüter der Stadt vor dreizehn Jahren eingeführt, um die Volksnähe des Rats zu beweisen. Hatte er behauptet. Tatsächlich stellte die Versammlung nichts anderes als ein inszeniertes Schauspiel dar, mit dem das einfache Volk geblendet werden sollte.
    Seit acht Jahren hatte Jesof keine Sitzung versäumt. Nicht etwa, weil ihn die Augenwischerei des neuen Zaer interessierte, sondern weil er hier die einzige Möglichkeit sah, an Stracen, den Sohn des Zaer, heranzukommen. An den Erbfolger . Denn eine Besonderheit der öffentlichen Sitzung war, dass die Frauen und Kinder der Räte ebenfalls erschienen. Das sollte wohl die Familienfreundlichkeit des Rates unter Beweis stellen.
    Zamorra (Jesof!) ließ sich von dem Menschenmeer in den Sitzungssaal spülen. Ein prächtiger Raum mit glänzendem Steinboden und Marmorsäulen nahm ihn auf. Blühende Kletterpflanzen rankten sich an den Wänden entlang. Über den Saal verteilt hatten die Architekten grüne Inseln mit Bäumchen, Blumen und Teichen angelegt.
    Am anderen Ende befand sich ein Podium, eine steinerne Bühne in zwei Metern Höhe, auf der dreizehn Stühle eine leicht geschwungene Linie bildeten. Der mittlere, der Sitz des Zaer, ragte dabei aus den anderen zwölf hervor. Er strahlte auch mehr Glanz als seine Nachbarn aus, mehr Würde.
    Hinter den Ratssitzen hing ein gewaltiger, goldener Vorhang, aus dem die Höchsten gleich hervortreten würden. Natürlich bestand der Rat aus wesentlich mehr Mitgliedern. Alle anderen hatten jedoch bestenfalls den Höchsten zuarbeitende Aufgaben und besaßen keine eigene Entscheidungsbefugnis. Einer von ihnen war Aryen Chluhe'chlyn gewesen, bis er es dank des Pakts mit einem Dämon bis zum Zaer gebracht hatte.
    Vor dem Podium und darauf hatten sich grimmig schauende Palastwachen aufgebaut, deren Schwerter und Speere für die Sicherheit im Saal sorgen sollten. Volksnähe schön und gut, aber allzu unvorsichtig wollte Aryen deshalb offenbar nicht sein. Vielleicht fürchtete er einen Anschlag, schließlich war Invo noch immer auf freiem Fuß!
    Eine begründete Furcht, denn Jesofs Plan sah genau das vor: einen Anschlag! Allerdings nicht auf Aryens Leben, sondern auf das des Erbfolgers .
    Stracen war inzwischen fünfzehn Jahre alt. Seit ungefähr zwei Jahren langweilte ihn die öffentliche Sitzung sichtlich, weshalb er sie grundsätzlich eine halbe Stunde nach deren Beginn verließ. Als Sohn des Zaer konnte er sich das herausnehmen. Dann stieg er immer vom Podium und ging schnurstracks zu einem der Nebenräume der Ratshalle. Jedes Mal zu einem anderen.
    Als Jesof dieses Verhalten aufgefallen war, hatte er es genauer beobachtet und festgestellt, dass nur wenige Minuten, bevor Stracen die Bühne verließ, ein junges, schwarzhaariges Mädchen in dem Raum verschwand, den der Erbfolger aufsuchen würde.
    Während der ersten Monate hatten zwei Männer der Palastwache den Erbfolger zu seinem Rendezvous begleitet und vor der Tür Wache gehalten. Offenbar fühlte Stracen sich dadurch aber zu sehr in seiner Freiheit beschränkt, denn irgendwann hatte er die Wachen nach einem heftigen Disput weggeschickt. Die Entwicklung hatte sich über viele Sitzungen hinweggezogen, doch inzwischen ließ sich Stracen nicht einmal mehr von der Garde begleiten.
    Wie unvorsichtig von ihm!
    Und das, so nahm sich Zamorra vor, sollte

Weitere Kostenlose Bücher