0933 - Die Horror-Mühle
wieder an sie heranzukommen. Er mußte nur das Gelände des Auto-Scooters umrunden, dann liefen sie ihm direkt in die Arme, vorausgesetzt, er war schnell genug.
Der Betrieb hatte inzwischen zugenommen. Auch immer mehr Erwachsene trudelten ein. Aber noch waren die Kinder und Jugendlichen in der Überzahl, und der Verbrecher hielt auch weiterhin an seinen Plänen fest.
Er mußte an die beiden heran, aber diesmal sollte es wie ein zufälliges Zusammentreffen aussehen.
Das ließ sich machen, denn Buzea war raffiniert genug. Er hatte den Bogen geschlagen, er ging noch immer schnell und schaute über die Köpfe der meisten Leute hinweg.
Wo steckten sie?
Plötzlich lachte er so laut auf, daß sich zwei Teenies in seiner Nähe umdrehten, ihn anstarrten und die Köpfe schüttelten, als könnten sie nichts begreifen.
Buzea ging weiter, denn die Kinder liefen auf einen Stand zu, an dem Süßigkeiten und Spielzeug verkauft wurden.
Er ging langsamer, wollte nicht auffallen. Als er die Geschwister dann wie zufällig sah, machte er es geschickt, denn er rempelte Jens für einen Moment so an, daß dieser nicht anders konnte, als sich umzudrehen.
»Ach - Sie…?«
»Jens!« rief Alfons Buzea. »Das ist aber eine Überraschung!« Er schaute auf das Mädchen. »Und deine Schwester ist auch hier. Seid ihr denn schon fertig?«
»Ja, der Zehner ist weg. Das geht immer schnell.«
»Das habe ich jetzt gesehen.« Er ging in die Knie, weil er beobachtet hatte, wie Silvia sich die Augen rieb.
»Ja; was ist denn los mit dir?«
Das Mädchen hatte geweint, das sah Buzea sofort. »Die anderen Kinder - die, sie…«
»Was haben sie getan?«
»Sie sind so gemein!« beschwerte sich Silvia.
»Warum denn das?«
Silvia schüttelte den Kopf.
»Willst du es mir nicht sagen?«
»Nein. Ich weiß ja gar nicht, wie du heißt.«
»Alfons.« Das Wort war ihm herausgerutscht. Er ärgerte sich darüber, daß ihm dies passiert war. Er hätte sich einen falschen Vornamen aussuchen sollen.
Jens sprang darauf an. »Das ist aber ein komischer Name«, sagte er.
»Ja, weiß ich.« Buzea richtete sich wieder auf. »Warum waren die anderen Kinder denn gemein?«
»Wegen unserer Mutter.«
»Ach.«
»Die haben uns ausgelacht, weil wir keinen Vater mehr haben. Unsere Mutter trinkt auch. Die ist oft betrunken. Wir haben auch nicht viel Geld. Das wissen die anderen.«
Buzea verzog das Gesicht. »Diese kleinen Bestien«, flüsterte er. »Diese verdammten kleinen Bestien.«
»Was sagst du?«
»Nichts, Jens, nichts.« Er schaute sich um und stellte fest, daß er nicht beobachtet wurde. Kein anderer Rummelgast kümmerte sich um sie, und er stellte jetzt eine nächste, für ihn und die Zukunft entscheidende Frage.
»Was habt ihr denn jetzt vor?«
»Gehen.«
»Wohin.«
»Nach Hause.«
»Zu eurer Mutter?«
Jens nickte.
»Und wenn sie wieder getrunken hat?«
»Das tut sie ja immer.«
»Ich meine, es ist doch nicht gut für euch. Sie wird kaum auf euch achten können und…«
»Ich will nicht mehr hier auf der Kirmes bleiben«, quängelte Silvia.
Buzea nickte. »Das kann ich verstehen. Das kann ich sogar sehr gut verstehen, meine Liebe.« Innerlich freute sich Buzea. Die nächsten Sekunden würden entscheidend werden. Da kam es darauf an, ob es ihm gelang, sie in das Haus zu locken oder nicht. Er lächelte harmlos und hoffte, daß dieses so bei den Kindern rüberkam. »Ich mache euch einen Vorschlag.«
»Welchen?« fragte Jens. Er war neugierig.
Buzea zwinkerte ihm zu. »Wißt ihr eigentlich, daß ich ebenfalls hier wohne?«
»Nein.«
»Das stimmt aber.«
»Wo denn?« fragte Silvia.
»Etwas außerhalb. An einem Bach.«
»Dem Mühlbach?«
»Ja, Jens, genau dort.«
»Aber da steht doch kein Haus.«
»Wirklich nicht?« Buzea zwinkerte ihm zu. »Denk mal genau nach, mein Junge.«
Jens überlegte, hob aber die Schultern. Dafür war Silvia schneller. »Klar, die alte Mühle. Da hat mal jemand gewohnt, aber das liegt lange zurück. Habe ich von meiner Mutter gehört.«
»Und sie hat damit recht gehabt.«
»Oh!« staunte Silvia. »Wohnst du wirklich in der alten Mühle? Echt dort?«
»Ich schwöre es.«
Sie wußte nicht, was sie sagen sollte. »Das ist toll. Richtig romantisch, glaube ich.«
»Wohnst du denn allein dort?« fragte Jens.
»Nein, wo denkt ihr hin! Ich bin verheiratet. Ich habe eine nette Frau.« Er schaute auf die Uhr und verzog den Mund. »Die sicherlich sauer sein wird, daß ich noch nicht bei ihr bin.«
»Warum denn?«
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