0933 - Die Horror-Mühle
nicht.«
»Bitte.«
»Ja, gut.«
Ich hatte die Frau genau beobachtet. Sie war nicht gesund. Sie war abgespannt, deprimiert. In ihrem Gesicht zeichneten sich die Spuren des harten Lebens ab.
»Möchten Sie etwas trinken?« fragte ich.
»Nein, nichts.« Fahrig bewegte sie die Hände über die blanke Tischplatte.
»Sie haben Probleme?«
Die Frau schaute mich an. »Das wissen Sie?« Dann lachte sie. »Klar, man sieht es mir an.«
»Können wir Ihnen denn helfen?« wollte Harry wissen.
Traurig schüttelte die Frau den Kopf. »Nein, nein. Wahrscheinlich nicht. Ich habe schon die Einheimischen gefragt. Auch das brachte mich nicht weiter, und Sie sind bestimmt fremd hier.«
»Sicher«, gab ich zu. »Aber Sie können es trotzdem versuchen.«
Die Unbekannte starrte mich an. Ihr Gesicht zuckte. So sehen Menschen aus, die kurz davorstehen, in Tränen auszubrechen. Ich hatte mich nicht geirrt. Plötzlich weinte sie, und dann brachen die Worte sturzflutartig aus ihr hervor.
»Meine Kinder! Ich suche meine Kinder! Sie sind verschwunden, einfach weg. Beide!«
Auf einmal saßen wir da wie Figuren aus Blei!
***
»Das ist aber ein richtiger Dschungel!« beschwerte sich der Entführer und lächelte innerlich, denn die Abkürzung kam ihm sehr gelegen, nur brauchten die Kinder das nicht zu wissen. Er war so froh, daß sie mit ihm gegangen waren. Da hatte er Glück gehabt. Bei anderen Kindern wäre es nicht so glatt abgelaufen, denn oft genug gaben Eltern entsprechende Warnungen mit auf den Weg, doch bei diesem Geschwisterpaar war es besser gelaufen. Vielleicht auch deshalb, weil sie zu zweit waren.
Jens hatte die Spitze übernommen und drehte sich jetzt um. »Du wolltest doch die Abkürzung, Alfons.«
»Natürlich. Ich habe mich auch nicht beschwert.«
»Wir sind gleich da«, sagte Silvia und lächelte. »Ich finde es toll, daß du in der alten Mühle wohnst. Da würden mein Bruder und ich auch gern hinziehen.«
»Ihr werdet sie ja zu sehen bekommen.«
»Und deine Gudrun ist wirklich eine gute Köchin?«
»Gut?« Er lachte. »Sie ist phänomenal - super! Sie ist die beste Köchin der Welt.«
»Das sagt meine Freundin von ihrer Mutter auch immer.«
»Hast du dort schon mal gegessen?«
»Klar.«
»Dann wirst du es ja genau merken und auch vergleichen können.«
»Darauf freue ich mich.« Um sie herum wurde es immer dunkler. Das lag an den hohen Büschen, die eine regelrechte Wand bildeten. Das Gelände, das sie durchquerten, war vom Unkraut überwuchert. Zudem lag es unterhalb des Straßenniveaus, wobei die Fahrbahn nicht zu sehen war. Erstens schützte sie das Buschwerk, und hinzu kamen noch die niedrigen Bäume, die auf dem feuchten Grund dieser Bachaue wuchsen.
Der Bach lag zwischen ihnen und der Straße. Seine Oberfläche glitzerte und wieder verschwand er im Gestrüpp. Bei der Schneeschmelze oder starken Regenfällen trat der Bach über die Auenlandschaft.
Auch im Sommer blieb der Boden feucht. Selbst die Kinder sackten hin und wieder ein paar Zentimeter ein.
Hin und wieder nahmen sie das Fahrgeräusch eines Autos wahr. Ansonsten waren sie allein unterwegs. Zeugen oder Zuschauer gab es nicht.
Das Niederholz hielt die feuchte Aue größtenteils im Schatten. Es war ein Paradies für Mücken, die sich in der Wärme wohl fühlten.
Sven, der immer wieder vorlief, blieb plötzlich stehen, drehte sich um und deutete trotzdem in die andere Richtung. »Ich kann die Mühle schon sehen!« rief er. »Wir sind gleich da!«
Buzea ärgerte sich. »Nicht so laut!« antwortete er. »Wir wollen meine Frau doch überraschen.«
»Ist gut, Alfons.«
Silvia ging neben Alfons her. Sie war sehr unbefangen und fragte: »Wird deine Frau nicht schimpfen?«
»Nein, sie wird sich freuen, denn sie hat sich immer Kinder gewünscht. Das hat bei uns nicht geklappt.«
»Warum denn nicht?«
Er winkte ab. »Du bist noch zu jung, um dir das zu erklären.«
»Klar, aber ich werde älter.«
»Weiß man es…«, flüsterte er und lächelte teuflisch, aber so, daß Silvia es nicht sah.
Jens hatte auf sie gewartet. »Wie wollen wir das denn machen? Uns hineinschleichen? Von hinten, meine ich?«
»Wir nehmen schon den vorderen Eingang.«
»Gut.«
»Eines mußt du mir sagen, Jens. Ich wohne hier noch nicht lange und bin nie diesen Weg hier gegangen. Um an den Eingang heranzukommen, müssen wir über den Bach.«
»Stimmt.«
»Sollen wir da nasse Füsse kriegen?«
»Nicht nötig. Es gibt hier eine Stelle, da ist er so schmal, daß wir
Weitere Kostenlose Bücher