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0934 - Der Schlüssel zur Quelle

0934 - Der Schlüssel zur Quelle

Titel: 0934 - Der Schlüssel zur Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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ich heute mit Häftling C-1701 sprechen wollte«, fuhr sie unbekümmert fort. »Sondern über die Gerüchte, die innerhalb der Huntsville Unit über ihn kursieren. Besser gesagt: unter den Insassen der Unit.«
    Das Grinsen schien zu verblassen, doch das mochte Einbildung ihrerseits sein. Und selbst wenn nicht: Lag es daran, dass Omar wusste, wovon sie sprach? Oder war er einfach nur verwirrt?
    »Man munkelt nämlich, wie ich in Gesprächen mit anderen Häftlingen erfuhr, dass Mister Littles Tage als Mörder auch hinter diesen Backsteinmauern noch nicht geendet haben. Die anderen Häftlinge haben Angst vor Ihnen, Omar. So ist es doch, oder?«
    Omar blinzelte. »Soll'n se ruhig«, nuschelte das Narbengesicht, und das Licht der Deckenlampe spiegelte sich auf seinem kahl rasierten Schädel. »Niemand legt sich mit Omar an, klar? Das wissense hier. Und wenn du weißt, was gut für dich is', merkste dir das, Shorty!« Er hob die Hand und rieb sich die Nasenwurzel, als habe er Kopfschmerzen.
    Oha, eine Reaktion. Die unverhohlene Drohung in seinem letzten Satz überging Jenny ebenso geflissentlich wie das despektierliche »Shorty«. Ghetto-Sprache. Dies war nicht der Augenblick für verletzte Eitelkeiten, auch wenn sie unter normalen Umständen schon Männer für weitaus weniger angeraunzt hätte.
    »Mister Little, mir gegenüber wurde suggeriert, Sie seien direkt am Tod der Gefangenen O'Reilly und Frobisher Schuld gewesen. Was sagen Sie dazu?«
    Rooney lachte.
    »'n Dreck sag ich!« Wieder dieses Reiben. Hand an Nasenwurzel. Auf Omars Stirn bildeten sich Falten - als wäre er wütend oder… ja, als hätte er Schmerzen. »Nich' ohne Anwalt, klar? Ich kenn doch meine Rechte. Ihr wollt eim nur Scheiß anhängen, damit Rooney und seine Texas-Nazis ihre Giftspritze noch schneller loswerden können. Aber das mach ich nich mit, okay? Meine Mutter hat keine Idioten aufgezogen!«
    »Eine diskutable Aussage«, murmelte der Gefängnisdirektor unbeeindruckt.
    Jenny ignorierte ihn. »Und dennoch starben beide Männer, nachdem sie sich längere Zeit in Ihrer Nähe aufhielten. Und dennoch scheint die gesamte Unit Angst vor Ihnen zu haben, wenn Sie in einen Ihrer Anfälle abgleiten. Ein Mister…« Nun warf sie einen schnellen Blick auf ihre Notizen. »… Beddingfield schwor mir sogar Stein und Bein, er habe gesehen, wie Sie während einer Ihrer Epilepsie-Phasen ein weißes Pferd in den Gang des Zellentraktes gezaubert hätten.«
    Okay, das war bescheuert. Jenny hörte sich und fragte sich im gleichen Moment, was sie da eigentlich beweisen wollte. Unterstellungen? Haltlose Behauptungen von Sträflingen? Das war kein Stoff für Think America . Dieser Müll wäre sogar Räubergazetten wie dem National Enquirer zu peinlich.
    Jenny hörte, wie Mike hinter ihr abfällig schnaubte, spürte Rooneys ungläubigen Blick im Nacken, und mit einem Mal schämte sie sich. Mike hatte völlig recht gehabt. Kein Zweifel. Sie verschwendete hier nur Zeit - ihre, Mikes, Omars.
    Und doch… Zamorra.
    Omar hatte die Augen geschlossen, das Gesicht eine Fratze des Schmerzes. »Weißes Pferd, so'n Käse!«
    »Vielleicht sollten wir einen Arzt rufen«, murmelte Mike. »Und uns dann wieder dem eigentlichen Thema widmen.«
    »Ja, gleich«, sagte sie schnell, da Rooney bereits zum Funkgerät greifen wollte, und winkte ab. »Aber zuerst…« Käsel? »Sie meinen Käse, nicht wahr?« Irrte sie sich, oder driftete Little gerade wieder in einen seiner Anfälle ab? Und wenn: Was für ein Mensch war sie, wenn sie es einfach geschehen ließ, ohne sich rechtzeitig um Hilfe zu bemühen? Eine gute Journalistin? Vielleicht. Aber was für ein Mensch?
    »Sagich doch«, presste Omar zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Sein rechtes Bein begann zu zucken. »Castle. So'n anka Scheiß mussich mir nich anhörn.«
    Sag es , dachte Jenny und hasste sich dafür. Sag es, und ich bringe dir Hilfe.
    »Zamorra«, murmelte sie. »Verraten Sie mir, was Sie über Zamorra wissen, Mister Little.«
    Mike setzte die Kamera auf den Boden. Er klang wütend. »Hey, lass den Quatsch. Das ist nicht mehr witzig. Der Mann mag ein Verbrecher sein, aber auch die haben ärztliche Hilfe verdient, wenn sie Sie brauchen. Das ist ein Mensch, kein Versuchskaninchen für deine Verschwörungstheo…«
    »Zamorra«, unterbrach ihn Omar. Der Häftling zitterte nun am ganzen Körper, als stünde er unter Strom. Seine Augen waren weiß, sein Mund geöffnet, und jeder Muskel in seinem Leib schien angespannt,

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