0936 - Belials Abrechnung
Supermarkt. Die vier Weinflaschen hatte sie in eine Tragetasche aus Leinen gestellt. Ziemlich bepackt ging sie auf ihr Auto zu, sortierte alles ein und war froh, wieder hinter dem Steuer sitzen zu können. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Es war zwar kein tolles Mahl, was sie da anzubieten hatte, aber John war auch kein Pizzafeind. Und der Wein hatte ebenfalls seine Qualität.
Sie lächelte, als sie endlich startete. Johns Traum wollte sie einfach verdrängen. Er ging sie nichts an. Er gehörte eben zu den Alpträumen, die viele Menschen quälten. Oft lag es am Wetter, manchmal auch am Menschen selbst, der gewisse Dinge nicht verkraften konnte, und Glenda entschied sich dafür, als sie vor einer auf Rot geschalteten Ampel hielt, daß Träume eben Schäume sind.
»Sie werden nicht eintreffen«, sagte Glenda und klopfte dabei auf den Ring des Lenkrads. »Ich glaube es einfach nicht. So einfach läuft das nicht ab. Das Muster ist viel komplizierter.« Sie startete wieder und blieb hinter einem dunkelroten Jaguar. »Außerdem hat John einen Job, der nicht spurlos an einem Menschen vorbeigeht. Mensch ist Mensch und kein Supermann. Das Unterbewußtsein spielt schon eine Rolle. Es muß sich einfach befreien.«
Damit endete ihr Selbstgespräch. Dafür schaltete sie das Radio ein und lauschte einem Kommentar.
Der Mann sprach über die Veränderungen im Maßsystem auf der Insel. Es würde ab dem nächsten Ersten wilde Rechnereien geben, denn das traditionelle Maßsystem wurde abgeschafft. Noch eine Woche lang konnten sich die Bewohner auf die alten Einheiten verlassen, dann war die Sache vorbei. Überall las man die Tips zur Umrechnung. In diesem Geschäft wurde darauf hingewiesen, und auch die Medien beschäftigten sich mit diesem Thema.
Trotz allem war die letzte Nacht herrlich gewesen, und als Glenda daran dachte, huschte ein Lächeln über ihre Lippen. In die Augen stahl sich ein gewisser Glanz. Sie hätte nichts dagegen gehabt, die Stunden in der nahen Zukunft zu wiederholen, aber sie fragte sich auch, ob John noch die innerliche Bereitschaft zeigte. Dieser Traum hatte ihn geschockt. Besonders die zweite Hälfte, und auch Glenda überkam ein Schauer, wenn sie daran dachte, was er letztendlich gesehen hatte. Jane und sie waren tot. Man hatte sie beide gefoltert und anschließend ermordet.
Sie schüttelte sich, als sie daran dachte. Dann mußte sie wieder vor einer Ampel warten, weil einige Menschen gegen etwas demonstrierten, das ihnen nicht gefiel. Glenda konnte die Worte nicht lesen, die auf die Transparente geschrieben worden waren. Sie sah nur, daß sie in roter Farbe geschrieben worden waren.
Bis zu ihrer Wohnung war es nicht mehr weit. Um so ärgerlicher, daß sie jetzt eine Zwangspause einlegen mußte, aber auch die ging vorbei. Als sie endlich wieder starten konnte, atmete Glenda auf.
Nur wenige Minuten später hatte sie das Haus erreicht, in dem sie in der ersten Etage wohnte. Jetzt begann der Balanceakt. Sie trug die Flaschen und die Tüte zur Haustür, schloß mit viel Mühe auf und betrat schließlich das Haus. Als die Tür hinter ihr zufiel, war Glenda bereits auf dem Weg zur Treppe. Jemand kochte irgendein Essen, dessen Geruch sich auch im Flur ausgebreitet hatte, wie Glenda riechen konnte.
Die Treppe kannte sie. Glenda nahm die Stufen, ohne einmal an ihrer Tüte vorbei nach unten schauen zu müssen und blieb vor der eigenen Wohnungstür stehen.
Diesmal stellte sie zumindest die Flaschen ab. Als er ihr zu unbequem und hinderlich wurde, fand auch die Tüte ihren Platz auf dem Boden, und sie holte den Schlüssel hervor.
Es waren die typischen und völlig normalen Bewegungen, die sie immer durchführte, wenn sie das Haus und anschließend auch ihre Wohnung betrat. Nichts Besonderes, nichts, was sie gestört hätte, doch an diesem Tag war es anders.
Der Schlüssel steckte im Schloß, und Glenda hätte ihn nur noch halb herumdrehen müssen, um die Tür zu öffnen, aber sie tat es nicht. Statt dessen hielt sie inne.
Urplötzlich.
Ohne ersichtlichen Grund. Einfach aus dem Gefühl heraus.
Warum?
In ihrem Hirn begann es zu arbeiten. Ein Rädchen griff ins andere, verzahnte sich, und die Maschinerie begann zu arbeiten. Etwas stimmte nicht. Die Warnung erreichte Glenda überdeutlich. Sie spürte die Gewißheit, daß es verkehrt und gefährlich war, wenn sie jetzt die Tür öffnete und ihre Wohnung betrat. Den Grund dafür kannte sie selbst nicht. Niemand hatte ihr etwas getan, keiner wollte sie
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