0936 - Belials Abrechnung
einen grauen Körper, sie sah ein Gesicht, das von langen, ebenfalls grauen Haaren umrahmt wurde, und sie öffnete den Mund zu einem Schrei, als die Gestalt ihren Arm ausstreckte, um nach ihr zu greifen.
Der Apparat tutete noch immer.
Keine Chance für Glenda, an ihn heranzukommen. Nicht mal einen Schrei konnte sie ausstoßen, denn der andere griff zu. Es war der böse und harte Klammergriff, der sie erwischte. Sie spürte, wie ihre Füße über den Boden geschleift würden, sah noch das Gesicht der Gestalt dicht vor sich und wußte nichts damit anzufangen.
Etwas bewegte sich flatterhaft vor ihr. Dann sackte sie ab in die Bewußtlosigkeit und bekam noch aus weiter Ferne das Tuten des Telefons mit. Anschließend nichts mehr…
***
Der feine Schweiß hatte ein Muster auf meine Stirn gelegt. Ich stand neben meinem normalen Apparat, hielt den Hörer noch fest und lauschte dem Freizeichen in meinem rechten Ohr.
»Melde dich, Glenda!« murmelte ich. »Verdammt noch mal, heb endlich ab, Mädchen!«
Mein Wunsch blieb unerfüllt. Glenda war noch nicht in ihrer Wohnung angekommen, und das bereitete mir große Sorgen. Nach dem achten Signal legte ich den Hörer wieder auf. Hitzewellen durchzuckten mich. Ich schwitzte.
Vor zwei Tagen hätte ich mir keine Sorgen gemacht, heute aber sah alles anders aus. Zumindest nach dieser Nacht, in der ich von diesen verfluchten Träumen nahezu gefoltert worden war.
Träume sind Schäume - so hatte Glenda gesprochen. Da mochte sie recht haben, aber ich konnte ihr in diesem Fall nicht folgen oder wollte es auch nicht. Der Alptraum war einfach zu intensiv gewesen. Er hatte mich brutal erwischt und war bis an die Grenzen meiner Psyche gelangt. Ich machte mir Sorgen. Lächerlich. Nein, doch nicht. Die Sorgen blieben. Glenda hätte zu Hause sein müssen.
Warum war sie es nicht?
An einen Verkehrsstau wollte ich nicht glauben. Ich hatte ihr genügend Zeit gelassen. Denn zwischen ihrem Weggehen und meinem Versuch, sie anzurufen, hatte ich mit Suko über den Fall gesprochen. Er und Shao hatten sehr genau zugehört. Ich wollte ihren Rat, und beide hatten meinen Alptraum nicht einfach unter den Teppich gekehrt. Besonders Shao war davon überzeugt gewesen, daß er schon etwas bedeutete.
»Die Wahrheit?« hatte ich gefragt.
Daraufhin hatte Shao nur die Schultern gehoben und sich eine Antwort verkniffen.
Nachdenklich stand ich neben dem Telefon und schaute auf den Apparat hernieder. Als ich das Geräusch der sich öffnenden Wohnungstür hörte, wußte ich daß ich Besuch bekam. Es war Suko, der neben mir stehenblieb. Er brauchte nur meinem nach unten gerichteten Blick zu folgen, um zu wissen, was da abgelaufen war.
»Du hast Glenda angerufen, nicht wahr?«
»Ja.«
»Und sie hat sich nicht gemeldet?«
»Richtig.«
»Das sieht man dir an. Jetzt machst du dir Sorgen, daß ihr etwas passiert sein könnte.«
»Auch das stimmt. Würdest du denn anders handeln und die Dinge einfach so hinnehmen?«
Suko hob die Schultern. »Ich weiß es nicht so recht, John. Wenn wir denken Wie Polizisten, besteht eigentlich keine direkte Gefahr, weil es auch keine Hinweise gibt. Keine Spuren, keine Beweise, die Dinge liegen eben anders. Sie beruhen auf reinen Vermutungen und sind etwas weit hergeholt, denke ich.«
Sukos Aussage gefiel mir nicht. Ich fuhr heftig herum und schaute ihn an. »Wie kannst du so etwas nur sagen?«
»Das ist einfach. Ich denke logisch.«
»Vergiß es«, erwiderte ich mürrisch.
»Meine Güte, John. Du tust gerade so, als wäre Glenda ein unmündiges Kind. Sie ist gefahren, okay, aber sie kann aufgehalten worden sein. Vielleicht hat sie jemanden getroffen, vielleicht war sie auch noch einkaufen. Sie kann auch in einem Café sitzen und mit Leuten reden. Nicht jeder geht an einem Samstag gern allein in seine Wohnung. Das Wochenende hätte ja auch anders ablaufen sollen, wenn ich dich richtig verstanden habe. Oder irre ich mich da?«
»Nein, du irrst dich nicht. Es wäre wunderbar geworden, hätte ich nicht diesen verfluchten Traum gehabt. Glenda Perkins tot, Jane Collins ebenfalls. Beide Körper waren nackt, beide Körper zeigten Schnitte, und letztendlich hat man die beiden Frauen getötet. Ich habe dir erzählt, Suko, wie klar ich diesen Traum vor mir sah. So erschreckend gegenwärtig. Ich bin wirklich einiges gewohnt, aber damit kam ich nicht zurecht.«
»Meine Meinung kennst du.«
»Ja, das weiß ich. Du siehst es nicht so arg wie ich.«
»Eben.«
Ich atmete tief ein. »Aber
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