0936 - Belials Abrechnung
keine Schatten. Es war alles völlig gleich, schwarz und grau.
Trotzdem waren sie noch Menschen geblieben und keine Geister. Sie konnten denken, überlegen, sich erinnern, aber gesehen im eigentlichen Sinne des Wortes hatten sie nichts.
Keine Gestalt, die sie hätten exakt beschreiben können. Der Unbekannte war einfach bei ihnen gewesen. Blitzartig war er über sie hergefallen. Er hatte zugepackt und sie in seine unendliche Welt geholt.
Wirklich unendlich? Oder gab es Grenzen? Würden sie für alle Zeiten Gefangene sein?
Diese Gedanken hätten automatisch kommen müssen, und sie wären auch sicherlich wie eine Qual über sie hergefallen, was jedoch nicht eintrat, denn die Reise dauerte nicht so lange. Sie brach plötzlich ab, den vor den beiden Treibenden löste sich die Finsternis auf. Dabei verwandelte sie sich in einen grauen Wirbel. Nebelspiralen drehten sich wild durcheinander, nahmen ihnen trotzdem die Sicht, aber die Hoffnung blieb immerhin bestehen, daß ihre unerklärliche und wundersame Reise durch eine fremde Welt ein Ende gefunden hatte.
Es stimmte. Beiden kam es vor, als würden sie auf dem Boden landen. Sie spürten einen leichten Druck im Rücken, der sie nach vorn schob, und dann war alles anders. Es wurde wieder normal, denn sie hatten einen Kontakt mit dem Boden gefunden.
Jane Collins und Glenda Perkins standen auf den eigenen Füßen!
Getrennt hatte man sie geholt, aber zusammen nahmen sie die Eindrücke dieser neuen Umgebung wahr. Dabei hatte die Zeit keine Rolle mehr gespielt, denn sie war geschrumpft und gleichgemacht worden.
Jane rührte sich zuerst. Sie bewegte ihre Augen. Sie spürte, daß sie nicht allein war, aber sie hatte die Person noch nicht gesehen, die rechts neben ihr stand.
Jane drehte sich um.
In der Bewegung erwischte sie die Stimme der anderen, die ebenso überrascht klang, wie Jane Collins es war.
»Du, Jane?«
»Glenda?«
Keine konnte mehr sprechen. Die Überraschung hatte ihre Stimmbänder gelähmt. Sie starrten sich an. Auf ihren Gesichtern lief die Skala der Gefühle und Empfindungen von oben nach unten ab. Sie kamen mit gewissen Dingen nicht mehr zurecht, auch wenn sie jetzt in dieser fremden Welt standen und sich anstarrten.
Glenda hob zögernd ihre Hand. Sie tat es wie jemand, der erst kontrollieren wollte, ob die Person, die sie sah, auch tatsächlich vor ihr stand.
Jane Collins hatte die gleiche Idee gehabt. So blieb es nicht aus, daß sich beide Hände auf halber Strecke trafen und jede das Zittern der anderen spürte.
»Warum?«
Glenda hob die Schultern. »Ich weiß es nicht, Jane. Ich habe keine Erklärung.«
»Und wer?«
»Das weiß ich auch nicht. Ich komme nicht mehr zurecht, Jane. Mich hat es plötzlich erwischt.«
»Wo?«
»In meiner Wohnung.«
Jane lächelte bissig. »Und mich kriegte man im Auto zu fassen. Da war jemand, den ich nicht sah, der plötzlich bei mir war…«
»Ein Schatten?«
Glenda nickte. »Stimmt. Es war ein Schatten. Er tauchte urplötzlich auf, ich habe ihn weder gesehen, noch gehört, nur gespürt, und da ist es leider zu spät gewesen. Plötzlich war das Zimmer nicht mehr vorhanden. Die Wände verschwanden, die Möbel, ich selbst wurde angesaugt und hineingedrückt in die Finsternis.«
Das konnte Jane Collins nur bestätigen. Sie dachte gleichzeitig einen Schritt weiter. »Es muß einen Grund geben, Glenda. So etwas geschieht nicht zum Spaß…«
»Bestimmt nicht.«
Die Detektivin hatte den Unterton in der Stimme nicht überhört. »Dann weißt du mehr?«
»Nein!« wiegelte Glenda sofort ab. »Nein, eigentlich nicht. Aber ich kann es mir denken. Es hängt möglicherweise mit John Sinclair zusammen, der durch einen Alptraum geschockt worden war.«
Jane Collins bekam große Augen. »Moment mal, Glenda, immer der Reihe nach.« Sie sprachen jetzt völlig normal und hatten ihre unheimliche Umgebung vergessen. »Das kann doch nicht hinkommen. Da ist irgend etwas falsch gelaufen.«
»Warum?«
»Weil du besser informiert bist als ich.«
»Das stimmt«, gab Glenda zu. »John hat mir von seinem Alptraum erzählt.« Das stimmt auch, nur wollte Glenda nicht sagen, wie, wenn und wo er es getan hatte. Sie wollte kein Öl ins Feuer gießen und berichtete in möglichst knappen Sätzen, ohne sich emotional zu engagieren, von dem, was sie wußte.
Jane Collins hörte interessiert zu, und Glenda war froh, daß sie keine Nachfragen stellte. Sie nahm es hin, daß John seiner Sekretärin den Alptraum erzählt hatte. Vielleicht
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