0937 - Belials Mordhaus
Boden erhob und gegen die herbstliche Bläue des Himmels schwebte.
Erst als er nicht mehr zu sehen war, auch nicht als Punkt, fanden die Sinclairs die Sprache wieder.
»Horace, ich denke, wir haben hier ein Märchen erlebt.«
»Nein, nein, Mary, das war kein Märchen«, protestierte er mit kratziger Stimme. »Das war eine Tatsache. Wir haben auch nicht geträumt, es ist alles so geschehen, wie wir es mit unseren eigenen Augen gesehen haben. Er ist, er ist…«
»Ein Wunder?«
Horace legte seinen Arm um Mary. »Wenn das stimmen sollte, ist es ein böses Wunder.«
»Das wir überlebt haben, Horace.«
»Richtig. Wir sind auch nur Vermittler. Du hast ja gehört, was uns mitgeteilt wurde. Wir sollen John sagen, daß er auf ihn warten wird, und wir werden es ihm sagen.«
»Wenn er kommt. - Er muß einfach kommen, Horace. Er kann es sich nicht leisten, einen Rückzieher zu machen. Dieser Unheimliche sprach von zwei Frauen. Damit kann er unseren Sohn locken.«
»Ja, du hast recht«, sagte der ehemalige Anwalt. Er ging jetzt in die Küche und starrte durch die Fensterscheibe nach draußen. Nach einer Weile murmelte er: »Wenn das die Engel sein sollten, möchte ich mit ihnen nie etwas zu tun haben.«
Mary gab darauf keine Antwort. Sie sagte statt dessen: »Ich habe uns vorhin einen Kaffee versprochen. Möchtest du noch immer?«
Horace drehte sich um. »Ja, meine Liebe, den möchte ich noch immer.« Dann ging er, um den Whisky zu holen. Den hatten sich jetzt beide verdient, wie er meinte.
***
Die Bluthunde lauerten noch immer und hockten wie zum Angriff bereit auf der Glasplatte. Es waren keine zwei, sondern jetzt vier, die sich da oben zusammendrängten und ab und zu aus der Finsternis geholt wurden, wenn die Frauen mit ihren angeknipsten Feuerzeugen in die Höhe leuchteten.
Die meiste Zeit über standen sie im Dunkeln zusammen. Ähnlich wie Tiere auf der Weide, sehr dicht, sich hin und wieder berührend, als wollten sie sich gegenseitig Wärme und Schutz geben. Das reichte natürlich nicht. Ab und zu sprachen sie miteinander, um sich gegenseitig Mut zu machen.
Sie flüsterten, sie richteten sich auf, und dabei kam die Rede immer wieder auf John Sinclair.
»Er wird uns finden!« behauptete Glenda. »Ich weiß es. John wird uns in diesem Loch finden.«
Jane hatte zugehört. Sie kannte die Worte schon. Auch jetzt war sie davon nicht zu überzeugen gewesen, was sie auch durch ein bitter klingendes Lachen ausdrückte. Danach fragte sie: »Wie denn, Glenda? Wie soll er uns hier finden? Du machst dir doch selbst etwas vor, wenn du immer wieder davon anfängst.«
»Irrtum, das mache ich nicht.«
»Kannst du mir deinen Optimismus erklären?«
»Er kennt sich aus, Jane.«
»Hier? Hier soll er sich auskennen?«
»Ja, denn er hat geträumt. Er hat dieses Verlies im Traum gesehen, Jane. Er wird den Weg auch finden. Und es ist kein Traumgebilde, wie er und ich zunächst annahmen, es existiert wirklich. Dieses Verlies ist existent, da kannst du sagen, was du willst. Alles ist hier klar, verstehst du?«
»Nein. Aber ich werde nichts mehr sagen. Dir hat er seinen Traum erzählt. Ihr seid ja zusammen gewesen.« Die Detektivin fügte nichts mehr hinzu, und auch Glenda ging nicht auf die Bemerkung ein. Sie wußte selbst, daß sich Jane darüber ärgerte. Beide Frauen standen in einer gewissen Konkurrenz zueinander, noch immer, mußte man sagen. Daran hatten auch die zahlreichen Jahre nichts geändert, eine gewisse Eifersucht schwelte noch immer, auch wenn sie früher einmal stärker gewesen war und die beiden sich jetzt arrangiert hatten. Über Details jedoch redeten sie nie. Da wollte keine von der anderen wissen, was da genau geschehen war. Das war auch besser so.
Jane hakte sich trotzdem an diesem Thema fest. »Wie kannst du sicher sein, daß er dieses Haus findet?«
»Ich rechne damit.«
»Er weiß nicht mal, wo er anfangen soll zu suchen, Glenda. Nein, du machst dir etwas vor.«
In der Dunkelheit war nicht zu sehen, daß Glendas Gesicht rot anlief. Sie ärgerte sich über Janes Bemerkungen. Sie ging ihrer eigenen Logik nach und sprach diese auch aus. »Ich will dir etwas sagen, Jane. Man hat uns beide geholt. Dafür muß es einen Grund geben. Ich denke auch, daß ich ihn kenne.«
»Dann sag ihn.«
»Wir sind Geiseln. Ich gehe davon aus, daß wir auch als Lockvögel eingesetzt werden. Wenn John hier erscheint, hat dieser unheimliche Engel freie Bahn. Dann hat er sein Ziel erreicht, und damit ist auch ein
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