0937 - Belials Mordhaus
wallte in Sinclair hoch. »Ich habe auch nicht gesagt, daß ich bis zum Haus mitgehen werde. Nur bis in die Nähe. Oder sollen sich die beiden die Hacken ablaufen?«
»Ja, ja, schon gut.« Meine Mutter winkte ab. Ich wollte sie trösten und nahm sie in den Arm. Sie hatte einiges durchgemacht. Den blutigen Kopf ihres Sohnes in einem Kühlschrank zu sehen und ein Treffen mit Belial zu erleben, war nicht jedermanns Sache.
»Wenn wir wieder hier sind, Mutter, können wir über alles reden. Dann werden wir dir auch gewisse Dinge erklären. Wir bleiben über Nacht hier, aber wir werden, so hoffe ich, vier Personen sein. Die beiden Frauen müssen wir herausholen.«
»Hoffentlich sind sie nicht tot.«
Daraufhin sagte ich nichts. Ebenso wie Suko griff ich nach der Kaffeetasse, die größer war als die üblichen, und probierte die ersten Schlucke. Der Kaffee schmeckte mir.
Zur Hälfte leerten wir die Tassen, dann wurde es Zeit für uns. Mein Vater zog sich noch die Jacke über und setzte die Mütze auf. Als er ein Gewehr aus dem Schrank holte, protestierte meine Mutter, doch er ließ sich nicht beirren. »Wer weiß, wann ich es gebrauchen kann.«
»Aber du gehst nicht mit zum Haus?«
»Nein!«
Draußen war es empfindlich kühl geworden. Zudem wehte von den Bergen im Norden ein ziemlich scharfer Wind, als wollte er den Geruch der Arktis mitbringen.
Bevor ich in den Geländewagen stieg, drehte ich mich um. Meine Mutter winkte uns nach. Sie stand vor dem Haus und sah etwas verloren aus. Auch mein Lächeln würde sie kaum aufheitern können.
Suko hatte auf dem hinteren Sitz seinen Platz gefunden. Ich saß neben meinem alten Herrn, der startete und dann mit mir über die Vorwürfe sprach, die er sich machte, weil er seine Frau für eine Weile allein gelassen hatte.
»Das hättest du nicht wissen können, daß so etwas eintritt«, sagte ich.
»Stimmt, John, aber ich denke nun mal so.«
Natürlich wollte er wissen, um was es genau ging. Das konnte ich ihm auch nicht sagen, sondern sprach mehr von einer Abrechnung, die es zwischen uns und Belial geben würde.
»Ist er tatsächlich ein Engel, John?«
Die Frage war gut, aber die Antwort fiel mir nicht leicht. Ich schaute aus dem Fenster, wo die Landschaft vorbeizog wie ein Film, der nicht sehr scharf fokussiert war. Die Trennungen zwischen Wiesen und Wäldern waren nicht mehr so, wie man sie sich hätte vorstellen müssen, und über dem Boden krochen die ersten frühabendlichen Dunstschwaden. Der Herbst meldete sich an, er würde nicht mehr aufgehalten werden können.
Mein Vater hatte von einer Fahrtdauer von ungefähr zwanzig Minuten gesprochen. Die unterschritten wir, denn eine Abkürzung brachte Zeitgewinn. Als wir dann, diesen schmalen Feldweg verließen und über einen schmalen Steg rumpelten, erreichten wir genau die Straße, die ich schon in meinen Träumen gesehen hatte, denn vor mir lag die Allee.
Mein Vater hatte angehalten. Er wußte wohl, was in mir vorging. Auch Suko sagte nichts.
Ich schaute durch die Scheibe auf die Straße, nickte, ohne zuvor etwas gesagt zu haben, und merkte, wie sich in meinem Innern etwas zusammenzog.
Mich überkam schon ein seltsames und kaum zu beschreibendes Gefühl, das zu sehen, was ich durch den Traum schon kennengelernt hatte: die Allee.
Ich stieg aus.
»Alles Gute, John, und auch dir, Suko.«
»Danke.«
Nach dem Zuschlagen der Türen wurde es still um uns herum. Einige Schritte ging ich nach vorn, bis ich die ersten Bäume erreicht hatte, und blieb dort stehen.
»Stimmt alles?« fragte Suko.
»Bis jetzt schon.«
»Willst du noch warten?«
»Nein, laß uns gehen.«
Hinter uns ließ mein Vater wieder den Motor an. Er fuhr zurück und wendete, als er eine etwas breitere Stelle entdeckt hatte. Da aber blieb er stehen, stieg aus und rief uns zu, daß er hier auf uns warten würde. Meine Mutter hätte dazu zwar ihre eigene Meinung gehabt, ich aber konnte es ihm nicht verbieten.
Suko war bereits vorgegangen. Ich erreichte ihn schnell, und so gingen wir nebeneinander her.
Ob in meinem Traum der Wind geweht hatte oder nicht, das wußte ich nicht. In diesem Fall - in der Realität - kriegte ich alles mit. Den Wind, die Gerüche, das Rascheln des noch an den Zweigen und Ästen hängenden Laubs. Wir sahen auch hin und wieder die dunkler gewordenen Blätter herabfallen.
Manchmal bewegten sich auch die dünnen Zweige der Pappeln wie zittrige Arme eines Körpers, der von einem Kälteschock getroffen wurde.
Weitergehen.
Keine
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