0937 - Belials Mordhaus
mußte abgerissen worden sein, das sahen sie überdeutlich.
Ein Gesicht war ebenfalls vorhanden. Haut, die blutete. Eine halb zerbissene Nase. Ein Auge, das fehlte oder sich nur mit Blut gefüllt hatte. Die rote Flüssigkeit war auch bis in die Haare gespritzt und hatte sich dort festgesetzt.
Das alles nahmen Jane und Glenda auf. Wichtig aber war etwas anderes. Obwohl sich das Gesicht so schrecklich entstellt zeigte, konnten sie trotzdem erkennen, wem dieser Kopf gehörte.
Ihrem Freund John Sinclair!
***
»John, du - du lebst?« hauchte Shao. Sie brachte die Worte nur stockend hervor und stöhnte wie unter Schmerzen.
Ich selbst war nicht in der Lage, eine normale Antwort zu geben, deshalb konnte ich nur nicken und dachte darüber nach, wie es möglich war, daß Shao ein derartiges Erstaunen in ihre Worte gelegt hatte, als wäre sie wahnsinnig überrascht gewesen, mich überhaupt noch lebend anzutreffen. Als hätte sie sich schon längst mit meinem Tod abgefunden, der allerdings nicht eingetreten war.
»Wieso denn?«
»Sollte ich tot sein?« fragte ich zurück.
Shao drehte den Kopf, weil sie gemerkt hatte, daß ihr Partner Suko nicht mehr auf dem Boden liegenbleiben wollte und sich in die Höhe quälte. Er setzte sich hin, schaute weder Shao noch mich an.
Sein Blick war nach vorn ins Leere gerichtet, dorthin, wo einfach nichts mehr vorhanden war.
Shao hob die Schultern.
Ich fragte Suko. »Was meinst du dazu?«
Er schwieg zunächst einmal. Mein Freund saß einfach nur so da. Er hatte die Beine angezogen und die Hände um die Knie gelegt. Ich sah ihn im Profil. Seine Stirn war in Falten gelegt. Er schaute nach vorn, ohne jedoch etwas zu sehen. Irgendwie schien er weit weg zu sein, geistig davongeschwommen, ohne die Realität noch zu beachten.
Dann löste er eine Hand vom Knie, strich erst über sein Gesicht und legte eine Hand anschließend auf die Lehne eines Sessels. Sie benutzte er, um sich in die Höhe zu stemmen, blieb auch weiterhin in einer ungewöhnlichen Haltung stehen und verschwand aus dem Raum. Er war in die Küche gegangen.
Shao saß noch immer. Auch sie wollte nicht sprechen. Sie mußte zunächst mit dem zurechtkommen, was sie erlebt hatte, denn sie schwebte noch immer auf der Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit.
Ich streckte ihr die Hand entgegen, die sie zunächst nicht wahrnahm. Erst als ich damit wedelte, kam sie wieder zu sich, sah meine Hand und umfaßte sie.
So half ich ihr auf die Beine. Shao schwankte ein wenig, blieb aber trotzdem stehen. Sie schaute dorthin, wo Suko erschien. Eine Flasche Wasser in der einen und zwei Gläser in der anderen Hand.
»Willst du auch etwas trinken, John?«
»Ja.«
Mein Freund tat, als wäre nichts gewesen. Er stellte die Gläser auf den Tisch, goß sie voll und trank selbst aus der Flasche. Shao und ich griffen nach den Gläsern. Das kalte Wasser tat uns gut. Es kribbelte in unseren Kehlen und sorgte für eine Erfrischung.
Wir schwiegen. Ich spürte, daß es für mich nicht der richtige Zeitpunkt war, jetzt Fragen zu stellen.
Ich wollte die beiden erst einmal mit sich selbst zurechtkommen lassen.
Als Shao ihr Glas abgestellt hatte, kam sie auf mich zu und faßte mich an. Zunächst am Unterarm, dann glitt ihre Hand höher, um schließlich über mein Gesicht zu streicheln.
Ich lächelte ihr zu, was sie zwar zur Kenntnis nahm, worauf sie aber nicht weiter reagierte. Schließlich ließ Shao den Arm wieder sinken und flüsterte: »Ich wollte nur herausfinden, John, ob du noch lebst. Ich wollte dich einfach spüren, verstehst du?«
»Ja, das sicherlich.«
»Dann ist es gut.«
Jetzt meldete sich auch Suko. Er hatte die fast leere Flasche zuvor auf den Tisch gestellt. »Wir haben dich tot gesehen, John. Du bist gestorben, aber nicht einfach so. Man hat dich auf eine furchtbare Art und Weise umgebracht. Du warst am Boden gefesselt, dann sind vier Bluthunde gekommen und haben deinen Körper zerrissen. Einfach so, verstehst du? Sie sind über dich hergefallen und haben zugebissen. Ich will es dir nicht näher beschreiben, weil es einfach zu schrecklich war. All das, was man sonst immer nur in den Zeitungen über derartige Attacken liest. Dein Tod war grauenhaft. Zuletzt ist nur mehr eine Lache von dir zurückgeblieben.«
»Dein Blut«, flüsterte Shao.
Ich nickte und schwieg. Für die Erzählungen der beiden hatte ich vollstes Verständnis. Dabei brauchte ich nur an mich und meine Träume zu denken, die ebenfalls so schrecklich gewesen
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