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0938 - Rabenherz

0938 - Rabenherz

Titel: 0938 - Rabenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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über den Rücken gejagt und sie in die Flucht geschlagen hätte.
    Nicht jedoch den alten Ferguson. Der machte den Eindruck, als hätte er in seinem Leben schon zu viel erlebt, um vor einem Blick davonzulaufen.
    Doch es gab noch einen anderen Grund, warum Rabenherz von derart drastischen Maßnahmen abgesehen hatte. Er wollte herausfinden, was ihn an Eilearoch so sehr anzog. Und dazu war es zunächst besser, es sich nicht mit den Bewohnern zu verscherzen.
    Nun stand der Mann in Schwarz zwischen den Häusern und lauschte in die Nacht. Das bleiche Gesicht des Mondes starrte auf ihn herab, tauchte den Ort in ein fahles Licht und beobachtete jeden seiner Schritte.
    Seit dreißig oder fünfunddreißig Tagen lebte er nun schon in Eilearoch. Eine alte verfallene Hütte am Rande der Siedlung, das Opfer eines Sturms und seitdem unbewohnt, bot ihm Unterschlupf. Bei den Dörflern verdingte er sich mit Hilfsarbeiten und erhielt dafür einen Teller Suppe, einige Scheiben Brot oder auch mal ein kleines Stück Fleisch.
    Doch er wusste, er fühlte, dass er in Eilearoch nicht gut gelitten war. Die Leute aus der Siedlung blieben lieber unter sich. Für deren Geschmack hielt sich Rabenherz schon viel zu lange im Ort auf. Merkwürdig, dass sie ihn dennoch für sich arbeiten ließen. Entweder besaßen sie tief in sich drinnen doch ein gutes Herz - oder sie wollten auf die billige Hilfe trotz aller Vorbehalte nicht verzichten.
    Von den McCains hatte er bisher noch nichts gesehen. Die hausten in einem großen Steinhaus auf der anderen Seite des Waldes. Obwohl sie seit seiner Ankunft noch nicht im Dorf aufgetaucht waren, sprachen die Bewohner mit einer Mischung aus Angst und Respekt von ihnen. Auch das war Rabenherz egal.
    Seit Jahrtausenden streunte er ziellos durch die Welt. Er hatte fremde Länder bereist, fremde Kontinente, Menschen unterschiedlichster Hautfarbe gesehen, merkwürdige Tiere, doch nirgends hatte er gefunden, was er suchte: eine Antwort auf die Frage seiner Existenz.
    Tief in seinem Inneren spürte er, dass sein Leben einen Sinn besaß. Dass er eine Aufgabe zu erfüllen hatte. Nur wusste er leider nicht, worin die bestand. Weit in seiner Vergangenheit lag ein unüberwindbarer Wall, hinter dem alle Antworten ihrer Entdeckung harrten. Was war sein Auftrag? Wer hatte ihm den gegeben? Oder noch einfacher: Wer war er überhaupt?
    Selbst sein eigener Name lag für ihn im Dunkeln. Rabenherz hatten die Leute ihn genannt, weil sie behaupteten, er habe ein Herz so schwarz wie das Gefieder eines Raben. Damit lagen sie gar nicht so falsch, denn die vergebliche Suche nach einem Sinn hatte ihn zornig und unbeherrscht gemacht. Nicht selten bezahlten Menschen seine Wutausbrüche mit dem Leben.
    Deshalb ließ man ihn in Ruhe und ging ihm lieber aus dem Weg. Außerdem verfügte er über Fähigkeiten, die die Leute fürchteten: Er war eins mit der Natur, konnte in Maßen über Pflanzen und Tiere gebieten. Warum er diese Kunst beherrschte, wusste er nicht. Ihre Quelle lag ebenfalls hinter dem Wall!
    Der Mann in Schwarz behielt den Namen Rabenherz bei, stellte sich Fremden gegenüber inzwischen sogar so vor, und führte, um ihm Nachdruck zu verleihen, immer einen schwarz gefiederten Gefährten mit sich.
    »Kratax!«, rief er in die helle Nacht. Nur Sekunden später flatterte ein Schatten heran, stieß ein Krächzen aus und ließ sich auf Rabenherz' Schulter nieder. Zügigen Schrittes strebte er in Richtung der verfallenen Hütte, die er derzeit sein Zuhause nannte.
    »Die Leute von Eilearoch wollen, dass wir verschwinden«, erklärte er dem Tier. »Aber das werden wir nicht tun, nicht wahr, mein schwarzer Freund?«
    In all den Jahrtausenden seiner Wanderung hatte er nie auch nur eine Spur dessen gefunden, wonach er suchte. Nie war es ihm auch nur im Ansatz gelungen, den Wall in seiner Erinnerung zum Wanken zu bringen. Bis er Eilearoch erreichte! Vom ersten Augenblick an fühlte er, dass an diesem Ort oder in der Nähe etwas existierte, das auf ihn wartete, das ihm Antworten geben konnte.
    Noch wusste er nicht, worum es sich dabei handelte, aber er würde sich nicht von einer Horde ängstlicher Dörfler oder dem geheimnisvollen McCain-Clan davon abhalten lassen, es herauszufinden.
    »Das solltest du aber besser!«, sagte eine raue Stimme. Die Gestalt eines Mannes schälte sich aus dem Schatten zwischen den Häusern und trat auf Rabenherz zu. »Wenn ich es mir recht überlege, ist es nun aber wahrscheinlich schon zu spät dazu.«
    Rabenherz blieb

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