0938 - Rabenherz
Schultern. Mit ungläubigem Blick rollte er noch einige Meter, dann blieb er liegen und zerbröselte zu Staub.
Seine beiden Diener stießen einen schrillen Schrei des Entsetzens aus. Auch sie erhoben sich. Doch kaum, dass sie standen, fielen sie wieder auf die Knie.
»Die Bindung zu eurem Herrn war zu stark!«, sagte Rabenherz. »Und so reißt euch sein Tod mit ins Verderben.«
Bittend hoben die Kreaturen der Nacht die Arme. Da stob ein Windstoß zur Tür herein und verwandelte ihre Finger in wehende Staubfahnen. Noch einmal öffneten sie den Mund, doch kein Laut drang mehr hervor. Sie fielen in sich zusammen wie Figuren aus Sand.
Zufrieden betrachtete Rabenherz sein Werk. Er hatte seinen Schwur gehalten. Keiner vom Clan der McCains war am Leben geblieben.
Er war der Einzige, in dessen Blut der Keim noch existierte. Folglich war er nun der Chef seines Einmannclans.
»Matlock«, flüsterte er. »Ein guter Name für ein Clan-Oberhaupt!«
Der alte Matlock McCain war nur noch eine staubige Erinnerung. Aber er hatte einen Nachfolger gefunden, der mit diesem Augenblick nicht nur das Haus, sondern auch den Namen übernahm.
***
Vor zwei Monaten
Matlock McCain, der Druidenvampir, der während seiner Druidenzeit als Rabenherz bekannt gewesen war, erwachte. Die Bilder seines Traumes standen ihm noch immer lebhaft vor Augen.
Die Sekunden seines triumphalen Sieges!
Damals hatten die Druiden- und die Vampirmagie noch einen erbitterten Kampf in ihm ausgefochten. In der Nacht, in der er den ursprünglichen Matlock McCain enthauptet hatte, hatte die Druidenmagie die Oberhand behalten, sodass er die Wölfe in seinem Sinne hatte beeinflussen können. An anderen Tagen wäre er nicht einmal fähig gewesen, eine Maus in eine bestimmte Richtung laufen zu lassen. Dass er erst einige Stunden hatte marschieren müssen, um die Tiere überhaupt zu finden, hatte er gerne in Kauf genommen.
Inzwischen herrschte ein ausgewogenes Verhältnis der beiden Magiearten. Sehr zu seinem Missfallen! Denn die Fertigkeit, Pflanzen zu beherrschen, hatte er vollständig verloren, während er sie bei Tieren nur in sehr eingeschränktem Umfang anwenden konnte. Sicherlich hätte er sich auch Brutus, den Schäferhund des dicken Fischers Walter, auf diese Art vom Leib halten können, doch dazu war er nach der Auseinandersetzung auf dem Llewellyn-Friedhof und dem Verlust der Erbfolgermagie zu geschwächt gewesen.
Der Druidenvampir stemmte sich von der Matratze hoch, öffnete den Fensterladen der Fischerhütte einen Spaltbreit und lugte hinaus. Er hatte den ganzen Tag verschlafen!
Nun hatte er sich also wieder eine Unterkunft erobert, wenn sie auch ungleich bescheidener ausfiel als die der McCains.
Natürlich war er damals in Eilearoch geblieben, aber nicht mehr als Hilfsarbeiter, sondern als neuer Herr über das Dorf. Nachts machte er sich auf seine Streifzüge, um herauszufinden, warum ihm dieser Ort so viele Antworten zu versprechen schien.
Einige Wochen später wurde er fündig - aber nicht in Eilearoch, sondern in einem kleinen Ort westlich davon.
Cluanie.
Dort fiel ihm eines Nachts ein Mann auf, den die Dorfbewohner den Erbfolger nannten.
Mit einem Mal geriet der Wall in Matlock McCains Innerem ins Wanken. Er bekam Risse, wurde brüchig und doch hielt er stand! Die Antworten, die entscheidenden Erinnerungen blieben weiter dahinter verborgen.
Aber eines wusste der Druidenvampir mit Gewissheit: Dieser Erbfolger spielte eine außerordentlich große Rolle für ihn. Für sein Leben. Für seinen Auftrag.
Sein Name lautete Ghared Saris ap Llewellyn und er lebte auf Llewellyn-Castle. Und das seit über hundert Jahren!
McCain beobachtete ihn. Er lauschte und lernte. Über Dekaden hinweg.
Nicht selten bekam der Erbfolger Besuch von einem stattlichen jungen Mann, der im Laufe der Jahrzehnte ebenfalls nicht zu altern schien. In Cluanie munkelte man von ihm als dem unsterblichen Krieger des Lichts .
Eine weitere Saite auf Matlocks Laute der Erinnerungen schlug an.
Um das Jahr 900 herum überwältigte er den Unsterblichen und schleppte ihn in sein Haus. Selbst ein Krieger vermochte sich nur unzureichend zu wehren, wenn man ihm beide Beine und die Finger brach. Im Rahmen einiger Gespräche, während denen der Druidenvampir seine Fertigkeiten im Bereich der Folterung verfeinerte, fand er heraus, dass der Erbfolger den Mann zur Quelle des Lebens gebracht hatte, wo dieser zu einem Unsterblichen geworden war. Da die Leidensfähigkeit des Kriegers nicht
Weitere Kostenlose Bücher