0938 - Rabenherz
Dennoch war er ein erfahrener Krieger. Wie sollte ich gegen so jemanden bestehen können?
Als er seine Kleidung abstreifte, kamen muskulöse Arme und ein voluminöser Brustkorb zum Vorschein.
Ich konnte aufgeben! Noch bevor wir überhaupt angefangen hatten. Ich besaß nicht den Hauch einer Chance.
»Der Kampf ist beendet, wenn einer von euch am Boden liegt«, erklärte die Hüterin. »Möge der Stärkere gewinnen. Und möge sich der Unterlegene mit den Jahren zufriedengeben, die ihm danach noch bleiben.«
(»Sie hat euch nicht befohlen, den anderen zu töten?«, fragte Zamorra. Sein Herz hämmerte vor Aufregung. Was war das nur für eine Version der Quelle des Lebens?
»Nein, natürlich nicht!«
»Die Hüterin hat nichts von einem Gesetz erzählt, nachdem das notwendig wäre?«
»Nein!« Dunja klang genervt, dass der Professor sie schon wieder in ihrer Erzählung unterbrach.
»Ich habe es immer geahnt! Von wegen Gesetze der Quelle! Auf mich hatte sie nicht gewirkt, als wüsste sie, wovon sie spricht. Stattdessen erging sie sich in nebulösem Gefasel.«
»Die Hüterin? Auf mich hatte sie einen völlig normalen Eindruck gemacht!«
»Es muss etwas geschehen sein. Etwas, das zu einer Veränderung der Quelle geführt hat.«)
Zunächst war es genau der einseitige Kampf, den ich erwartet hatte. Mein einziger Vorteil bestand darin, dass Atrigor mir nicht wehtun wollte. Jeden meiner Angriffe wehrte er ab, wie er eine lästige Fliege verscheuchen mochte. Wenn ich doch einmal durchkam und ihn umzustoßen versuchte, scheiterte ich daran kläglich. Genauso gut hätte ich versuchen können, mit bloßen Händen eine Tanne umzuwerfen.
Ich konnte ihm deutlich ansehen, dass auch er diesen Kampf nicht gern führte. Er schubste mich weg und hoffte wohl darauf, dass ich irgendwann stolpern und hinfallen würde. Oder dass meine Kräfte nachließen.
Minutenlang zog sich dieses Geplänkel hin. Ich rannte gegen ihn an wie gegen eine Felswand, er stieß mich halbherzig weg, Einmal kratzte er mich dabei so heftig an der Wange, dass mir das Blut herablief.
»Tut mir leid«, murmelte er.
Wie lange sollte das noch so weitergehen?
Ich erwog, einfach aufzugeben. Atrigor war zweifelsohne der Stärkere. Wozu brauchte es da noch einen Kampf, der gar keiner war?
Aber warum hatte mich Kesriel dann überhaupt zur Quelle geführt?
Plötzlich geschah etwas, an das ich gar nicht mehr gedacht hatte. Der Wahrhaftigkeitssud entfaltete seine Wirkung und rief den Zukunftsblick hervor. Da der Trank aber nicht lange genug hatte ziehen können, schenkte er mir Sekundenvisionen! Ich sah Atrigors Attacken voraus, bevor er sie startete.
Jedem Schubser, jedem Tritt wich ich aus, noch bevor Atrigor überhaupt wusste, dass er ihn machen würde. Stattdessen landete ich nun immer mehr Treffer, denn auch die Abwehrmaßnahmen meines Kontrahenten sah ich vorher und unterlief sie.
Natürlich war er mir körperlich dennoch haushoch überlegen und ich konnte ihn zu keinem Zeitpunkt gefährden. Er mich aber auch nicht mehr!
Was den Kampf noch sinnloser machte. Zumindest dachte ich das im ersten Augenblick. Doch plötzlich wurde Atrigor wütend. Er konnte mit mir nicht mehr spielen wie eine Katze mit der Maus und merkte wohl, dass er ernsthafter zu Werke gehen musste, wenn er die Unsterblichkeit erringen wollte.
Aber egal, was er anstellte, ich wich aus.
Bei seinem letzten, dem verhängnisvollen Angriff, leuchteten seine Augen vor Zorn. Nun verlegte er sich auf brachiale Gewalt. Mit gesenktem Kopf und nach vorne geneigter Schulter kam er auf mich zu wie ein Rammbock. Dabei musste er wohl einen flachen Ausläufer des Teiches oder eine Pfütze durchquert haben.
Wieder konnte ich mich seitlich wegwinden, bevor er mich traf. Doch diesmal versuchte er seine Bewegung noch zu korrigieren - und rutschte mit den nassen Füßen aus. Noch im Fallen drehte er sich und knallte mit dem Hinterkopf gegen einen Felsen.
Ich glaubte, das Bersten des Schädelknochens zu hören. Mein Magen zog sich zu einem kleinen schmerzhaften Klumpen zusammen.
Ein entsetzter Schrei erklang, aber ich konnte nicht sagen, ob ihn Atrigor, die Hüterin der Quelle oder gar ich selbst ausgestoßen hatte. Sekundenlang starrte ich ihn einfach nur an. Den Blick hatte er auf mich gerichtet. Noch war er nicht gebrochen, aber die Schlieren des Todes überzogen ihn bereits. Unter seinem Kopf breitete sich eine rasch größer werdende Blutlache aus.
Das hatte ich nicht gewollt!
Die Unsterblichkeit zum
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