0939 - Das Rätsel von Lakikrath
„Da!" Er hielt abrupt an und schob das Netz von Wurzeln zur Seite, um einen besseren Durchblick zu bekommen. Er sah einen Schemen durch den Gang huschen und hinter einem Wandvorsprung verschwinden. Ihm war, als wäre das neblige Gebilde diesmal viel dichter gewesen und als habe es eine fester umrissene Gestalt gehabt. „Da war die Erscheinung schon wieder."
„Also doch keine optische Täuschung!" meinte Jennifer.
Tekener gab keine Antwort. Schweigend setzte er den Weg fort. Er war wachsam und konzentriert. Er sah das seltsame Gebilde noch einige Male vor sich, und jedesmal schien es eine festere Konsistenz als das vorangegangene Mal zu haben. Bald war die Erscheinung nicht mehr transparent, aber sie verschwand stets so schnell wieder, daß kaum Einzelheiten daran zu erkennen waren. Orten ließ sich das Ding immer noch nicht, obwohl es materiell zu sein schien. „Vielleicht wollen die Unbekannten auf diese Weise Verbindung mit uns aufnehmen", mutmaßte Jennifer. „Da sie zu scheu für eine direkte Konfrontation sind, versuchen sie es durch eine Art von Manifestation ihrer Gedankenbilder."
„Geisterbeschwörung also?" meinte Tekener skeptisch. Er zuckte unwillkürlich zurück, als das Ding eine Armlänge vor ihm auftauchte. Für einen Moment war ihm, als erkenne er eine fast menschliche Physiognomie.
Aber dann verschwammen die Konturen wieder, und als sein Arm nach vorne schoß, griff er ins Leere. „Du hast es verscheucht", sagte Jennifer vorwurfsvoll. „Du solltest dir deine Reaktion das nächste Mal besser überlegen.
Die Unbekannten könnten deine Haltung als feindselig einstufen und die Kontaktversuche abbrechen."
„Das sagt dir deine weibliche Intuition?" fragte Tekener sarkastisch. „Okay, ich werde mich zusammenreißen.
Das nächstemal werde ich Lockrufe von mir geben und den Irrwisch zu kraulen versuchen."
„Du bist ein unverbesserlicher Zyniker", sagte Jennifer. „Wenn du schon die Tatsachen ignorierst, dann solltest du wenigstens auf die angeborene Scheu der Tekheter vor den Tempelruinen etwas geben. Inzwischen muß es auch dir klargeworden sein, daß sie sich nicht vor den Auswirkungen der technischen Hinterlassenschaft der Prä-Zwotter fürchten, sondern vor übernatürlichen Vorgängen."
Sie unterbrach sich, als sich einige Meter vor ihnen wiederum die seltsame Erscheinung manifestierte, die Tekener recht treffend als Irrwisch bezeichnet hatte. Es war jetzt ein dreidimensionales Gebilde mit fünf verschieden langen Auswüchsen und einem Seestern nicht unähnlich. Einer der Auswüchse krümmte sich, und es sah aus, als winke er ihnen. Als sich Jennifer jedoch daraufhin in Bewegung setzte, floh die Erscheinung. „Du hättest ihm was Liebes sagen sollen, um ihn nicht zu verscheuchen", spottete Tekener.
Tekener schaltete den Scheinwerfer aus, als vor ihnen ein Lichtstreifen sichtbar wurde. Das Rauschen des Wasserfalls war zu einer beachtlichen Geräuschkulisse angeschwollen, die alle anderen Hintergrundlaute schluckte. Es übertönte sogar das schmatzende Geräusch ihrer Schritte in dem morastigen Boden. Die Luft war von Feuchtigkeit durchtränkt.
Als sie um eine Biegung des Ganges kamen, schlug ihnen ungewohnte Helligkeit entgegen. Der Gang endete zehn Meter vor ihnen und mündete in freiem Gelände. Hinter dem steinernen Skelett einer letzten Tempelruine erhob sich eine undurchdringliche Wand aus feinstem Wasserstaub. Das Rauschen schwoll unvermittelt zu einem Tosen an. Man konnte sich nur schreiend verständigen.
Jennifer wollte etwas sagen, aber ihr Mann gebot ihr mit einer Handbewegung zu schweigen. Sie kam zu ihm, der hinter einem umgestürzten Steinsockel Deckung gesucht hatte. Über seine Schulter hinweg sah sie in zwanzig Metern Entfernung zwei Gestalten.
Es waren Menschen, weder Vincraner noch Tekheter, sondern offenbar terranischer Abstammung.
Paratender! Ganz eindeutig.
Sie unterhielten sich miteinander, aber das Tosen des Wasserfalls schluckte ihre Worte. An den Gesten des einen erkannte Jennifer jedoch, daß sie beabsichtigten, sich zu trennen. Gleich darauf verschwand der eine in gerader Richtung, und der andere wandte sich nach links.
Tekener grinste und sagte dicht an Jennifers Ohr: „Ihre Suche nach unseren Zellaktivatoren gleicht jener nach der Stecknadel im Heuhaufen. Offenbar haben sie keine Möglichkeit, die Zellaktivatoren zu orten, denn sonst wären sie nicht so ahnungslos an uns vorbeigegangen."
„Uns wird es auf der Suche nach deinem Informanten
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