0939 - Wenn der Satan tötet...
Schlief er?
Wir drängten uns in das Zimmer und stellten fest, daß das Fenster über dem Bett nicht geschlossen war. Es bewegte sich leicht im Wind, was den regungslos daliegenden Schläfer nicht störte.
Schlief er wirklich nur?
»Es riecht hier nach Blut«, sagte Suko. Er konnte das Zittern in seiner Stimme nicht unterdrücken.
Gemeinsam erreichten wir das Bett und blieben direkt davor stehen. Hinter uns standen der Abbé und auch die Nonne.
Wir hörten einen von ihnen würgen. Es war die Frau. Der Bischof war tot. Wieder einmal hatte der Satanist zugeschlagen und auf schreckliche Weise getötet.
Ich überwand mich trotzdem und faßte ihn dort an, wo sein Körper nicht mit Blut bedeckt war.
Ich spürte keine Wärme mehr. Die Haut war bereits kalt geworden. Die Tat lag schon länger zurück.
Dann drehte ich mich um.
Mein Gesicht war eine Maske, die Knie zitterten mir. Schwester Daniele war zurückgegangen, stand vor einem der mit Büchern gefüllten Regale und preßte ihre Stirn gegen die Buchrücken. Wir hörten sie weinen, und auch der Abbé schaffte es nicht mehr, seine Tränen zurückzuhalten.
»Wieder zu spät«, sagte Suko mit einer Stimme, die ihm nicht zu gehören schien. »Wieder zu spät…«
Bloch atmete tief durch. »Ja, zu spät«, wiederholte er. »Jetzt ist nur mehr einer übrig, nämlich ich…«
Keiner widersprach.
***
Erst hatte Carlos gedacht, zu einer Bushaltestelle zu gehen, dann hatte er den Plan verworfen und sich am Rand der Straße aufgebaut, in der Hoffnung, von einem Anhalter mitgenommen zu werden.
In seiner dunklen Kleidung wirkte er tatsächlich wie ein Priester, und die Hoffnung erfüllte sich rasch, denn es hielt jemand an.
Eine junge Frau, die einen schicken BMW fuhr, selbst ebenfalls schick aussah und ihre Haare unter einem Kopftuch verborgen hatte. »Hallo, Hochwürden, wo wollen Sie denn hin?«
»Wohin fahren Sie?«
»In Richtung Amiens und Paris.«
»Das ist gut.«
»Dann steigen Sie ein.«
»Merci.«
Er kletterte auf den Beifahrersitz, lächelte und fühlte sich gut. Er schnallte sich an. Dabei schielte er auf das Radio, dessen Sender eine Musik brachte, die ihm nicht gefiel. Sie war einfach zu hart und wenig melodiös, aber es war nicht sein Fahrzeug, der hatte hier nicht zu bestimmen.
»Soll ich den Sender wechseln?« fragte die Fahrerin.
»Nein, lassen Sie nur.«
»Okay. Ich brauche diese Musik, sie putscht mich auf, sie macht mich an.«
Carlos lächelte, und die Frau gab Gas. »Mal sehen, daß wir Paris noch heute erreichen. Wird schwer werden.«
»Ja, das weiß ich.«
»Wo soll ich Sie denn in Paris absetzen?«
»Nicht dort, in Amiens.«
»Auch gut.«
»Ich habe dort Freunde, bei denen ich die Nacht verbringen kann. Dann geht es weiter.«
»Kann ich mir denken.« Sie setzt sich etwas bequemer hin. »In Ihrem Beruf steht man zusammen. Ich heiße übrigens Christine.«
»Mein Name ist Carlos.«
»Pater Carlos oder Bruder Carlos?«
»So ähnlich.«
Die Frau lachte. Sie schlug mit der rechten Hand auf den Lenkradring.
»Hört sich irgendwie fremd an, aber nicht schlecht, ehrlich. Ist nur nicht so mein Fall.«
»Es gibt eben verschiedene Welten.«
»Da haben Sie recht. Ich lebe in einer anderen. Ich muß mich um meinen Job kümmern. Ich bin immer unterwegs. Die Kunden können und dürfen nicht warten. Sie sind einen perfekten Service gewöhnt.« Eigentlich hatte sie damit gerechnet, daß der Priester nachfragte, der aber hielt den Mund und blieb ruhig neben ihr sitzen. Selbst der aufregend kurze Rock, den die Fahrerin trug, schien ihn nicht zu interessieren. Der Stoff war noch weiter in die Höhe gerutscht und ließ viel von ihren Beinen sehen, über die sie schwarze Strümpfe gezogen hatte. Als Oberteil trug sie einen beigefarbenen Pullover und darüber eine rehbraune Jacke, die Kleidung einer Geschäftsfrau.
Das Haar war blond, kurz geschnitten, das Make-up perfekt, aber nicht zu dick aufgetragen. Ihr Gesicht wirkte etwas steinern. Wenn sie lächelte, wirkte es nicht echt und immer aufgesetzt. Wie in der Werbung.
Carlos interessierte die Frau nicht. Er war zu sehr mit sich selbst und seinen eigenen Problemen beschäftigt. Er wollte so rasch wie möglich aus dieser Gegend verschwinden und in Richtung Süden reisen, denn dorthin war dieser Bloch verschwunden. Der Pfarrer hatte es ihm noch kurz vor seinem Tod verraten.
In Amiens konnte er den Zug nach Toulouse nehmen, und von dort würde er auch weiterkommen, das stand fest. In der
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